Experten-Talk

Wenn Schönheit das Leben kostet

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Kunstfehler oder Risiko? Das brasilianische Model Luana Andrade stirbt nach einer Fettabsaugung, eine junge Wienerin nach einer Lippenaufspritzung. OA Dr. Veith Moser erklärt, wie risikoreich Beauty-­Eingriffe eigentlich sind. 

Knapp 15 Millionen chirur­gische und 18 Millionen nicht-chirurgische Eingriffe wurden im vergangenen Jahr weltweit durchgeführt. In den letzten vier Jahren ist die Nachfrage um 41 Prozent gestiegen. Die Fettabsaugung führt das Ranking der häufigsten Eingriffe an. Je mehr gemacht wird, desto mehr passiert. Model Luana Andrade (29) – eine Freundin von Fußballstar Neymar – erlag nach einer Fettabsaugung an den ­Knien einer Lungenembolie. In Wien verstarb eine 28-Jährige 14 Tage nach einer ­Lippenaufspritzung.

War es Pfusch? Oder sind Fälle wie dieser der Komplikationsrate geschuldet? Wie risikoreich sind Beauty-­Eingriffe eigentlich? Und sind wir zu wenig aufgeklärt? Das fragten wir den Experten Dr. Veith Moser.

Todesfälle nach Routine-Behandlungen. Ist die Beauty-Medizin riskanter, als die Allgemeinheit denkt?
Dr. Veith Moser:
Prinzipiell ist es so, dass Schönheits-Eingriffe ein geringes Komplikationspotenzial haben und auch haben müssen. Schließlich ist es eine Leistung, die nicht unbedingt notwendig ist. Aber jeder Eingriff birgt auch immer Risiken – ein operativer natürlich mehr als ein minimal- oder noninvasiver. Die Fettabsaugung wird gerne als ,kleiner‘ Eingriff gesehen. Für einen ,kleinen‘ Eingriff birgt sie aber relativ gesehen schwere Komplikationen, die lebensbedrohlich sein können. Vor allem, wenn das Fett im Anschluss zur Körpermodellierung, wie beim Lipotransfer, wieder eingebracht wird.

Wann kann es bei oder nach einer Absaugung zu einem Todesfall kommen?
Dr. Moser:
Die Liposuktion kann problematisch werden, wenn der Chirurg anatomische Grenzen missachtet und z. B. ein anderes Organ verletzt. Im Zuge der OP können – falls unsteril gearbeitet wird – auch Keime eingebracht werden. Oder es ist bereits ein Entzündungsherd im Körper vorhanden. Dann können durch den Eingriff die dort ­befindlichen Keime verteilt werden. Plötzlich ist man in Lebensgefahr, weil man eine Blutvergiftung bekommt. Ein weiterer Punkt: Ein Großteil der Fettzellen wird abgesaugt, aber manche werden auch zerstört. Jene ölige Substanz kann in die Blutbahn gelangen und zu einer Fettembolie führen. Dabei wird die Lunge verstopft – der Gasaustausch stoppt. Das passiert direkt am OP-Tisch. Auch eine normale Lungenembolie kann auftreten, wenn sich im Gefäßsystem ein Blut­gerinnsel bildet und dieses sich später z. B. durch Husten löst und die Lunge verstopft.

Lässt sich das verhindern?
Dr. Moser:
Es gibt Faktoren, die eine Lungenembolie begünstigen, wie die Veranlagung oder die Menge des abgesaugten Fettes. Je mehr Fett abgesaugt wird, desto höher das Risiko. Und es gibt Möglichkeiten, der Ausbildung einer Embolie entgegenzuwirken – wie Blutverdünner, Kompression und Mobilisierung.

Zurück zur Fettembolie. Beim Brazilian Butt Lift wird mit abgesaugtem Fett der Po vergrößert. 1 von 3.000 Patientinnen stirbt am Tisch an einer Fettembolie. Was macht den Eingriff so riskant?
Dr. Moser:
Dabei handelt es sich um einen Lipotransfer. Das Risiko wird dadurch nochmal erhöht. Du nimmst Fett nicht nur raus, sondern bringst es wieder ein. Wenn der Arzt beim Einbringen ein Gefäß erwischt, geht das Fett in die Lunge. Auch hier kommt es wieder auf die Fettmenge an sowie auf die Lokalisation, also den Ort, wo eingespritzt wird. Ein Beispiel: Wenn 100 bis 150 ml Fett für eine leichte Brustvergrößerung eingebracht werden, ist das Risiko gering. Wenn allerdings drei Liter Eigenfett in die extrem gut durchblutete Po-Muskulatur gespritzt werden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dabei ein Gefäß getroffen wird und Fett in der Lunge landet.

Kann das Risiko mit sehr viel OP-Erfahrung gesenkt werden?
Dr. Moser:
Erfahrene Ärzte wissen, wie man mit der Kanüle richtig umgeht – sie muss z. B. immer in Bewegung bleiben. Das reduziert das Risiko. Aber auch bei einem sehr erfahrenen Arzt kann es zu Komplikationen kommen.

Neymars Freundin erlitt während der OP einen Herzstillstand, starb letztendlich an einer Lungenembolie.
Dr. Moser:
Für einen Herzstillstand während so einer OP gibt es mehrere Ursachen. Z. B. ein falscher Umgang mit Betäubungsmitteln oder eine falsche ­Injektionstechnik bei der lokalen Einspritzung des Betäubungsmittels. Die Nebenwirkungen von Lokalanästhetika sind nicht zu unterschätzen.

Eine 28-jährige Wienerin ließ sich die Lippen in einem Kosmetiksalon aufspritzen. Nach zweiwöchigem Martyrium: Herz-Kreislauf-Versagen. „Eine extrem seltene autoimmunologische Reaktion“, hieß es von Seiten des Spitals, in dem sie verstarb. Ein tragischer Einzelfall also?
Dr. Moser:
Welche Substanz bei der Beauty-Behandlung zum Einsatz kam, ist bis dato noch nicht klar. Eines steht fest: Fälle wie diese sind Raritäten. Unterspritzungen im Gesicht sollten trotzdem nicht bagatellisiert werden. Die Arteria Angularis z. B. läuft von der Lippe seitlich die Nase hinauf bis in die Augengefäße. Wenn man zu viel vom Füllstoff Hyaluronsäure unsachgemäß in die Lippe einspritzt, kann es sein, dass dieses Gel über das Gefäßsystem ins Auge einwandert und zur Erblindung führt. Weltweit sind derzeit 100 Fälle von Erblindung bekannt. Deshalb muss jede Patientin gut aufgeklärt werden und einen Aufklärungsbogen unterschreiben, wo Risiken detailliert aufgeführt sind.

Wie geht man auf Nummer sicher?
Dr. Moser:
Auch bei Unterspritzungen gibt es Richtlinien – z. B. wie man die Nadel bzw. Kanüle beim Injizieren richtig führt. Sie sollte immer in Bewegung bleiben. Depots dürfen nur in Areale gespritzt werden, wo keine Gefäße liegen. Erfahrung ist hier sehr wichtig. Ein weiterer Faktor: Je öfter man etwas hat machen lassen und je mehr Material in die Lippe eingebracht wird, desto höher die Komplikationsrate.

Ihr Tipp?
Dr. Moser:
Konkret gilt für die Liposuktion und die Lippenaufspritzung: Weniger ist mehr! Im Allgemeinen gilt: Suchen Sie sich eine Ärztin, einen Arzt mit Erfahrung. Und jede bzw. jeder sollte sich bewusst sein, dass alle Eingriffe Risiken bergen.

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