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Schlank auf Rezept: Der Masterplan der Top-Ärzte

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Jeder kann abnehmen! Oftmals braucht es aber Unterstützung aus der Medizin. TV-Internist Prof. Siegfried Meryn und Abnehm-Expertin Dr. Bianca Itariu verraten, wie „Abnehmen auf Rezept“ funktioniert und was man selbst dafür tun muss.

Turnstunde, Taueklettern. „Freddy, Blada, schaffst es nicht rauf?“, tönt es von unten. Er schaffte es nicht. Freddy – voller Vorname Siegfried, Nachname Meryn, Titel Professor und Doktor, 69 Jahre – ist längst nicht mehr übergewichtig. Diese Szene brannte sich allerdings so tief in sein Gedächtnis ein, dass der renommierte Internist damit sein neuestes Buch eröffnete. Mit Adipositas-Spezialistin Dr. Bianca-Karla Itariu veröffentlicht er dieser Tage „Schlank auf Rezept“. Anhand persönlicher Geschichten und spannender Fallbeispiele erklären die Wiener Top-Mediziner:innen warum manche dick und sogar fettleibig (adipös) werden, warum keiner an seinem Gewicht alleine die Schuld trägt und wie man mit einem Kleeblatt an fundierten Methoden und neuesten medizinischen Therapien nicht nur effizient abspeckt, sondern sein Gewicht auch hält.

Wir verraten einen kompakten Einblick in ihre Kleeblatt-Methode – ein Mix aus richtiger Ernährung, Bewegung, Psychohygiene und den neuen Therapien:

1. Die beste „Diät“ der Welt

Wer abnehmen will, muss eine hypokalorische, aber nährstoffdichte Ernährung verfolgen. Hypokalorisch bedeutet nichts anderes als „energiearme Ernährung“ und meint, dass Sie mehr Energie verbrauchen, als Sie über Nahrung aufnehmen. Die Energiewaage neigt sich dann in die richtige Richtung. Was die Sättigung betrifft, ist eine Kalorie nicht immer eine Kalorie. Eiweiß sättigt meistens besser als Fett und Kohlenhydrate, und ist ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Ernährung. Wie wir aus Studien wissen, ist es für Gewichtsverlust gar nicht so wichtig, welche Art von Ernährungsumstellung wir verfolgen, solange sie hypokalorisch ist.

Da es aber Ziel sein muss, nicht nur Gewicht zu reduzieren, sondern dabei vor allem Fett und nicht Muskeln zu verlieren, sollten wir auf eine möglichst ausgewogene und gesunde Umstellung achten. Also nicht bloß auf einen bestimmten Makronährstoff wie Kohlenhydrate oder Fette verzichten, sondern eine bewusste und gesunde Reduzierung vornehmen.

Als beste Ernährungsform gilt die mediterrane Diät. Am Teller landen v. a. pflanzliche Lebensmittel, gesunde Fette und mageres Eiweiß – also Gemüse und Obst, entzündungshemmende Kräuter (Oregano), Vollkornprodukte, Olivenöl, Hülsenfrüchte, in geringeren Mengen Fisch und Geflügel. Fleisch wird zur gelegentlichen Beilage. Auf eine Nachspeise muss man nicht verzichten, nur besteht sie aus Früchten. Studien zeigen, dass man innerhalb von zwölf Monaten mit der mediterranen Diät um die sieben Kilogramm verlieren kann. Vor allem ist das Risiko für den Jo-Jo-Effekt gering, weil es einfacher ist, die Diät langfristig durchzuhalten.

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© Getty Images
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2. Jeder Schritt zählt

Mehr Aktivität im Alltag steigert das Wohlbefinden und erleichtert die Überwindung des inneren Schweinehunds. Ein gezieltes Kraft- und Ausdauertraining verbessert unabhängig vom Gewichtseffekt unseren Zucker- und Fettstoffwechsel und fördert die Herzgesundheit. Die WHO empfiehlt, dass Erwachsene pro Woche 150 bis 300 Minuten moderate Ausdauerbelastung oder 75 bis 150 Minuten intensive Belastung absolvieren sollten. Dazu werden zwei Einheiten Krafttraining pro Woche empfohlen, bei denen alle größeren Muskelgruppen trainiert werden sollen. Wenn Körpergewicht oder Kondition es (noch) nicht erlauben, sinnvoll Ausdauertraining zu betreiben, ist der Fokus auf Krafttraining eine gute Option: Trainingsumfang und -aufwand sind geringer. Sie verwandeln dabei Fettmasse in Muskelmasse. Wichtig: Langsam beginnen, um Verletzungen zu vermeiden.

Das gilt auch für Ausdauertraining. Am Anfang reicht es, zehn bis fünfzehn Minuten zu gehen, zu laufen oder mit dem Rad zu fahren und das in einem Tempo, bei dem man nicht ins Schnaufen gerät. Mit der Zeit sollte das Ziel sein, dreißig Minuten ohne Probleme und Pausen zu schaffen. Tipp: Sportarten wechseln. Gehen Sie im Sommer schwimmen, fahren Sie im Herbst mit dem (E-)Rad ... Ein solcher Wechsel tut dem Herz-Kreislauf-System gut. Am wichtigsten: Es soll Spaß machen!

3. Fühlen Sie sich nicht schuldig!

Es ist das dritte Blatt des Kleeblatts und nicht zu vernachlässigen: Ihre psychische Gesundheit. Dazu zählen auch Stress und Schlaf – Faktoren, die Ihr Gewicht beeinflussen können. Falls Sie sich mit Ihrem Körper unglücklich fühlen oder Probleme mit Ihrem Essverhalten haben, trauen Sie sich, professionelle Hilfe aufzusuchen. Sie brauchen sich Kritik an Ihrem Körper nicht gefallen zu lassen, auch nicht von Ärzt:innen!

Verinnerlichen Sie zudem folgende bahnbrechende Erkenntnis: Es ist fast nie die Schuld der Patient:innen und Patienten überschüssiges Fett, Übergewicht oder Adipositas zu haben. Ein Großteil der Schuld tragen die Gene und unser adipogenes Umfeld. Starkes Übergewicht, also Adipositas, ist genauso eine Krankheit wie jede andere. Sind unsere Fettzellen einmal bis an ihr Maximum expandiert und beginnt das Fett, sich um andere Organe herum abzulagern, wird unser Stoffwechsel nachhaltig geschädigt. Die natürlichen Funktionen unseres Körpers sind einschränkt oder gar verhindert.

Einmal erkrankt, fällt das Abnehmen noch mal viel, viel schwerer. Das liegt daran, dass Adipositas eine Resistenz gegen die Hormone Insulin (schleust Zucker/ Glukose in die Zellen) und Leptin (löst im Gehirn ein Sättigungsgefühl aus) verursachen kann. Das GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1) wird nur noch in geringer Menge produziert, dabei ist es essenziell für einen guten Zuckerstoffwechsel und verzögert die Magenentleerung. Auch das Appetit-Hemmer-Hormon PYY läuft auf Sparflamme. Der Appetitanreger Ghrelin wird dafür vermehrt produziert. Fett macht also dick – eine Abwärtsspirale.

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4. Gamechanger

Das letzte der vier Blätter ist die Medizin: Medikamente helfen, wenn sich die Abwärtsspirale durch einen guten Lebensstil alleine nicht durchbrechen lässt. Die neuen Medikamente setzen beim Zusammenspiel zwischen Sättigung, Fettgewebe und Gehirn an. Sie entfalten ihre Wirkung im Gehirn – beim Hunger- und Sättigungsgefühl. Diese Wirkstoffe sollten Sie kennen:

  • Setmelanotid: hilft bei angeborener Adipositas. Z. B. bei chronischem Leptinrezeptormangel bei dem ständig Hunger verspürt wird. Für Kinder ab 6 zugelassen.
  • GLP-1-Rezeptoragonisten aka „Abnehmspritze“: Bei Menschen mit Übergewicht und Adipositas kann die Ausschüttung des Hormons GLP-1 gestört sein, weswegen sich kein ausreichendes Sättigungsgefühl mehr einstellt. Die beiden Medikamente Saxenda (mit dem Wirkstoff Liraglutid) und Ozempic oder Wegovy (mit dem Wirkstoff Semaglutid) greifen genau hier ein. Bis zu 17 Prozent des Körpergewichts können bei einer Therapie schmelzen.
  • Tirzepatid (Mounjaro): Befindet sich noch in Zulassung. Wirkt gleich auf zwei Ebenen: löst Sättigungsgefühl aus und wirkt gegen Insulinresistenz.

Kleeblätter richtig anwenden

Für manche ist die Säule Lebensstil bereits ausreichend. Wenn Sie bloß ein paar überschüssige Kilos verlieren wollen, gibt es dafür keine Abkürzung. In diesem Fall ist es nicht ratsam, sich von Medikamenten innerhalb weniger Wochen Wunder zu erwarten. Denn Medikamente sind keine Abkürzung, sondern eine Unterstützung am Weg zum Wohlfühlgewicht. Und es können lästige Nebenwirkungen auftreten. Oftmals braucht es zusätzlich zu Ernährungsumstellung, Pflege der Psyche und Bewegung die medikamentöse Therapie. Zurzeit sind GLP-1-Rezeptoragonisten bei einem BMI ab 30 zugelassen oder einem BMI ab 27 mit einer Begleiterkrankung, wie u. a. Typ-2-Diabetes. Eine weitere Säule stellt ein chirurgischer Eingriff dar – die bariatrisch-metabolische Chirurgie zur Reduzierung von exzessivem Übergewicht und dessen Stoffwechselfolgen. Noch gibt es keine Medikamente, die so effektiv sind wie eine solche Operation, dies könnte sich aber bald ändern.

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