Spermidin und Bewegung statt Hungern

Fasten leicht wie nie

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News aus der Forschung Nahrungskarenzen heilen und verjüngen den Organismus. Doch nicht jeder kann oder mag auf Essen verzichten. Wie Sie auch ohne Askese Ihre Zellen detoxen: 

Das Fasten gilt als der bedeutendste Gesundheitstrend unserer Zeit. Denn es vermag zu bremsen, was jeden einzelnen Menschen am meisten bedroht: Abbau, Krankheit, Alter, Vergänglichkeit. Die Askese ist kein ewiger Jungbrunnen, aber - so viel weiß die Wissenschaft mittlerweile -der Schlüssel zu einem längeren Leben in möglichst guter Gesundheit.

Wenn der Körper über einen gewissen Zeitraum keine Nahrung bekommt, schaltet er in einen Überlebensmodus. Die Zellen verdauen sich selbst, um zu überleben -und zwar in einer Art und Weise, die verjüngend, reinigend und heilend wirkt. Brandgefährlicher zellulärer Müll wird recycelt und damit repariert sich die Zelle dann selbst. Damit wird der eingebaute Selbstzerstörungsmechanismus etwas eingebremst. Für die Entdeckung dieses körpereignen Selbstreinigungsprogramms -genannt Autophagie (das altgriechische Wort autóphagos bedeutet "sich selbst verzehrend")- gab es 2016 sogar den Medizinnobelpreis. Das Fasten gewinnt seitdem stetig an Anziehungskraft. Aber es gibt noch viele ungelöste Fragen. Das meiste wird derzeit am Tiermodell erforscht. Für die Forschung am Menschen fehlen bis dato die Werkzeuge. Eine der noch wichtigen unbeantworteten Fragen: Wie lange der Körper ohne Kalorien sein muss, um diesen sogenannten Fasteneffekt anzuschalten. Immer wieder wird von einer mindestens 16-stündigen Nahrungskarenz berichtet, um die Autophagie anzufachen. Damit wäre das Intervallfasten der ultimative Jungbrunnen. Schließlich ist die Nahrungskarenz über Nacht machbar und alltagstauglich. Forscher:innen der Universität Graz, führend auf dem Gebiet der Langlebigkeitsforschung, gehen mittlerweile jedoch davon aus, dass die Esspausen wesentlich länger sein müssen. "Um in den Überlebensmodus zu kommen, könnte der Körper gar 24 oder sogar 48 Stunden brauchen", so Dr. Simon Sedej von der MedUni Graz.

Fasten ohne Fasten

Nicht jeder kann fasten - sei es aus gesundheitlichen oder lebensstilbedingten Gründen -und schon gar nicht 24 Stunden lang. Dabei würden vor allem ältere Menschen und Menschen mit Grunderkrankung von der Autophagie immens profitieren. Fasten ist unter anderem eine gute Medizin gegen Diabetes, die mehr als nur die Symptome behandeln kann. Die Langlebigkeitsforschung beschäftigt sich daher intensiv mit Fastenalternativen. Dazu zählen Lebensstilmaßnahmen, die das Fasten imitieren und damit den Fasteneffekt anschalten -ohne Hungern. Seit Jahren steht der körpereigene Stoff Spermidin im Fokus der Forschung. Er löst nachweislich die Autophagie aus. Produziert wird er u. a. im Darm und die Produktion lässt etwa ab Mitte 30 nach -jedoch nicht bei allen Menschen. "Untersucht wurden ältere Menschen, die sehr gesund altern. Der Spermidingehalt in ihrem Blut ist genauso hoch wie bei jungen Menschen - um die 40,50 Jahre", so Dr. Sedej. Der höhere Anteil im Blut der Älteren könnte laut Prof. Sedej auf ihre Ernährung zurückzuführen sein. Menschen, die besonders alt werden und auch gesund älter werden, sind Menschen, die sich besonders gut ernähren. Sie sind zumeist in Regionen zu finden, in denen die Mittelmehr-Ernährung vorherrscht. Die Lebensmittel sind allesamt natürlich und reich an verjüngenden Stoffen, wie u. a. Spermidin. "Zudem", so Dr. Sedej, "wirkt sich diese Ernährung positiv auf das Darmmikrobiom aus und dieses ist ein wichtiger Spermidinproduzent.

Wie viel Spermidin braucht der Mensch? Der Verjüngungsstoff ist in vielen pflanzlichen Lebensmitteln wie Weizenkeimen, Gemüse, Obst, Nüssen und in fermentiertem Soja enthalten. Wie viel davon schließlich am Teller landet, hängt von Lagerung und Zubereitung ab. Wer auf Nummer sicher geht, setzt auf Nahrungsergänzung. Wie viel Spermidin der Körper von außen braucht, um jung und gesund zu bleiben, ist jedoch noch nicht erforscht. Sollte man -um auf Nummer sicher zu gehen -auf das Mehr-istmehr-Prinzip setzen? "Studien am Menschen", so der Experte, "haben gezeigt, dass Spermidin unbedenklich ist und gut vertragen wird. Es besteht keine Gefahr, dass man mit Nahrung oder Nahrungsergänzung Spermidin überdosiert." Nachsatz: "Erforscht wurde die Verträglichkeit von natürlichem Spermidin in Nahrungsergänzung, das aus Weizenkeimen in einem speziellen Verfahren extrahiert wird. In vielen Nahrungsergänzungsmitteln ist jedoch synthetisches Spermidin enthalten. Darüber gibt es keine Daten."

Keine Wunderpille. Eine gute Spermidinzufuhr ist laut dem Forscher eine wichtige Maßnahme. Aber man sollte sich nicht auf ihr ausruhen. Das Projekt Langlebigkeit wird nämlich von mehreren Säulen getragen. Bewegung, "ein Autophagietrigger", ist eine davon. Ebenso die Mittelmeer-Diät mit viel Pflanzlichem und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Auch ausreichend Schlaf, Kalorienreduktion, guter Umgang mit Stresssituationen, das Vermeiden von Altersbeschleunigern (Rauchen, Alkohol, Übergewicht) und ein Leben im Einklang mit der Chronobiologie tragen zum gesunden Altern bei. So lässt sich das Fasten zumindest zu einem gewissen Maße nachahmen", so Prof. Sedej. Und das täglich und ein Leben lang - ohne Hungern.

Top-Tipps fürs Zell-Detoxing

Fasten

Esspausen sind nachweislich ein Trigger des körpereigenen Zellreinigungsprogramms Autophagie. Jedoch ist es schwer, beim Menschen zu messen, wie lange gefastet werden soll, um die Autophagie zu starten. Gesundheitsexperten propagieren, dass bereits das Intervallfasten mit seinen 16-stündigen Auszeiten Wirkung zeigt. Dr. Simon Sedej geht von wesentlich längeren Fastenintervallen von 24 Stunden oder 48 Stunden aus, um den Fasten-Effekt anzukurbeln.

Fasten leicht wie nie
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Das Mikrobiom:

Der Darm ist laut Dr. Sedej eine wichtigeSspermidinquelle: "Manche Darmbakterien produzieren mehr Spermidin als andere. Je mehr von den Spermidinproduzenten sich im Darm befinden, desto höher ist der Spermidingehalt des Körpers." Ernährung spielt bei dem individuellen Aufbau des Mikrobioms eine große Rolle. Empfohlen: die darmfreundliche Mittelmeer-Diät.

Bewegung:

Aktivität gilt als Autophagie- Beschleuniger und kurbelt die Spermidinproduktion in den Zellen an.

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Ernährung:

Spermidin lässt die Zellreinigung anspringen. Da der Körper mit den Jahren weniger Spermidin produziert, lohnt es sich, ab etwa 30 auf die Spermidinzufuhr zu achten. Der Stoff kommt in unterschiedlicher Konzentration in Nahrungsmitteln wie Weizenkeimen, fermentierten Sojabohnen, Pilzen, Gemüse (Brokkoli, Sellerie), Obst, Nüssen, dunkler Schokolade (mind. 85 %Kakaoanteil) und Käse vor, wobei der tatsächliche Gehalt je nach Produkt, Verarbeitung und Lagerung stark schwankt. Rechts finden Sie Zubereitungstipps. Wer auf Nummer sicher gehen will, setzt auf Nahrungsergänzung mit natürlichem (aus Weizenkeimen extrahiertem) Spermidin.

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Der zellverjüngende Stoff ist sehr sensibel. Tipps für Lagerung, Zubereitung & Co.

4 Tipps für viel Spermidin

1. Richtig einkaufen

Lokale Superfoods. Viele Kräuter-, Obst- und Gemüsesorten (Melanzani, Karfiol, Brokkoli, Dill, Erbsen, Frühlingszwiebel, grüne Paprika, Gurken, Kartoffeln, Äpfel, Beeren, Feigen, Kirschen, Weintrauben) enthalten Spermidin. Jedoch sind in modernen Hybridsorten, die primär auf Wachstum und Ertrag getrimmt sind und in teils ausgelaugten Böden wachsen, weniger Nährstoffe enthalten als in selbst gezüchtetem Gemüse oder Ursorten. Daher sind ein bewusster Einkauf, Regionalität und Saisonalität wichtig.

2. Optimale Lagerung

Frisch oder tiefgekühlt. Je ' frischer ein Lebensmittel ist, desto besser. Wenn es nicht möglich ist, Frischware zu verarbeiten, dann auf Tiefgekühltes setzen - z. B. TK-Brokkoli. Aus der Praxis weiß man: Die Lagerung von Lebensmitteln bei bis zu minus 20 °C stellt für Spermidin kein Problem dar -zumindest solange es nicht zu Gefrierbrand kommt.

3. Schonende Zubereitung

Achtung, heiß! Zum Erhitzen gibt es keine aussagekräftigen Studien. Es ist jedoch anzunehmen, dass es sich mit Spermidin genauso wie mit Vitaminen und anderen Inhaltsstoffen verhält. Je vorsichtiger und je weniger erhitzt Lebensmittel werden, umso besser ist es um die Nährstoffe bestellt.

4. Auf Nummer Sicher gehen

Nahrungsergänzung. In qualitativ hochwertigen Supplementen ist eine garantierte Menge an Spermidin enthalten. Mittlerweile gibt es Dutzende Produkte am Markt. Diese Kriterien garantieren Qualität: - Das Supplement sollte klinisch getestet sein, um die Verträglichkeit und Sicherheit zu garantieren. - Im besten Fall sollte es "Novel Food"-zertifiziert sein. - Fragen Sie Ihre Apothekerin/Ihren Apotheker: Gibt es Humanstudien mit dem Produkt oder der Substanz? Und wenn ja, wie sehen die Studien aus? Vieles am Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetikmarkt verwendet Anwendungsbeobachtungen oder Befragungen mit kleinen Gruppen als Legitimation. - Der Ursprung der Substanzen sollte natürlich sein. Checken Sie ab, woraus der Rohstoff gewonnen wird. - Lange Lieferketten sind sehr schwer nachzuvollziehen und werden undurchsichtig -wie bei Lebensmitteln. Im Idealfall produziert der Hersteller den Rohstoff selbst! - Der Substanzgehalt und die Spermidin-Konzentration sollten auf dem Produkt garantiert sein.
  

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