Psychologe erklärt

Warum der Tod von Popstars wie Tina Turner so bewegt

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Auch Menschen, die ihnen nie persönlich begegnet sind, können nach dem Tod von Promis von Trauer überwältigt werden. Der Medienpsychologe Sebastian Buggert erklärt, wieso das so ist.

Der Tod von Tina Turner trifft Millionen Menschen ins Herz. Die "Queen of Rock n' Roll" verlor diese Woche ihren Kampf gegen den Darmkrebs. Besonders bei Rock- und Popstars verbinden uns mit deren Musik etliche Erinnerungen. Bei viel zu jung Gestorbenen Künstlern, wie Freddie Mercury, Kurt Cobain, Amy Winehouse oder Whitney Houston ist der Schock anders, als wenn über 80-Jährige sterben. Warum ist das so?

Das Ende einer Ära

"Jetzt ist auch eine der letzten Ikonen der 80er- und 90er-Jahre tot", denken manche spontan - Ende einer Ära. Doch es sei daran erinnert, dass viele Stars von damals noch leben, darunter Madonna, Kate Bush, Cher, Mariah Carey, Kylie Minogue, Boy George, Stevie Wonder oder Elton John (der zum Beispiel noch bis Juli auf Abschiedstournee ist).

Mit Tina Turner ist jedoch eine Frau gestorben, die dem deutschsprachigen Europa besonders nahestand. Mit ihrem Ehemann Erwin Bach hatte sie einen positiven Bezug zu Deutschland. Jahrzehntelang lebte die gebürtige Amerikanerin aus Tennessee außerdem am Zürichsee, war sogar Schweizer Staatsbürgerin geworden.

"Wenn jemand wie Tina Turner stirbt, den man gefühlt seit Ewigkeiten kennt, der ein Superstar war, der einem was bedeutet hat mit seiner Musik, dann kommen bei Älteren Erinnerungen hoch, aus der Jugend, aus der analogen Zeit, in der die Welt noch vollkommen anders war", sagt der Medienpsychologe Sebastian Buggert. Es ist fast so, als würde jemand sterben, den man lange kennt, länger nicht gesehen hat - und den man vielleicht noch einmal hätte anrufen wollen. Dass es so schlimm um ihn steht, wusste man nicht oder hat man verdrängt.

Ein Anlass um traurig zu sein

"So ein Todesfall und der damit verbundene Abschied sind dann für viele Menschen ein Anlass, einfach mal traurig zu sein, in sich zu gehen und zu schauen, was sich alles verändert hat, was alles - im Gegensatz zu früher - nicht mehr da ist", sagt Buggert, der Mitglied der Geschäftsführung am Rheingold-Institut in Köln ist und dort den Bereich Medienforschung leitet. "Dann kommt eine Wehmut auf, die auch was mit aktuellen Belastungen zu tun haben kann, wie das Leben heute ist - unberechenbarer, bei vielen auch voller Zukunftsängste." Wenn Promis früherer Jahrzehnte, aus der Zeit ohne Internet, sterben, dann werde diese Trauer auch Rückbesinnung auf eine Zeit, "die anders war, in der vieles unbeschwerter wirkte als heute", sagt Buggert.

Bei Tina Turner spiele außerdem eine Rolle, dass sie eine unglaubliche Kämpfernatur gewesen sei, die ein schweres Leben hatte mit ihrem brutalen Ex-Mann Ike oder dem Tod eigener Kinder zu Lebzeiten. "Und sie hat sich dennoch durchgekämpft. Das ist auch etwas, das Leute als Vorbild wahrnehmen. Und einige verbinden das vielleicht auch mit der heutigen Zeit, in der wir das Gefühl haben, uns zusammenreißen und durchkämpfen zu müssen." Buggert betont in Bezug auf Tina Turner zudem: "Was in Interviews mit ihr immer so klar wurde: Sie hat trotz aller Schwierigkeiten in ihrem Leben immer versucht, optimistisch zu bleiben. Und sie hat offenbar auch einen ganz guten Umgang mit ihrem Alter gefunden."

Nostalgische Aufmunterung

Der Gedanke, dass nun fast alle Superstars der (angeblich) guten alten Zeit tot sind, kommt zwar rasch auf, das macht ihn aber nicht richtig. Tina Turners Tod könnte Anlass sein, Hits von früher zu hören, sich auch an Ohrwürmer anderer großer Stars zu erinnern, alte Titel anzuwählen statt dafür den nächsten Trauerfall abzuwarten. Millionen auf der Welt hören in diesen Tagen als Hommage Tina-Turner-Songs, aber vielleicht auch bewusst Lieder von den Rolling Stones, Abba, Genesis, Paul McCartney, Sting, Bruce Springsteen, Bryan Adams, Lionel Richie oder Cyndi Lauper. 

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