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Gesund durchs Schuljahr

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Ernährung, Bewegung, Umgang mit PC & Co.: Was Eltern wissen sollten

Mit Septemberbeginn heißt es: ab auf die Schulbank. Der sedentäre und mittlerweile von Technik geprägte Alltag stellt die Physis und die Psyche der Schüler vor zahlreiche (neue) Herausforderungen. Wie Sie die Gesundheit Ihres Kindes optimal unterstützen.

Mit Beginn des neuen Schuljahres warten viele neue Gesichter, eine Flut an Eindrücken sowie Informationen und vor allem – erstmals im jungen Leben – Aufgaben und Pflichten. Der neue Lebensabschnitt verlangt Disziplin (der lateinische Ausdruck „disciplina“ bedeutet übrigens Schule), Stehvermögen und Sitzfleisch, was dem kleinen Organismus wahre Höchstleistungen auf allen Ebenen abverlangt. Die Kids müssen allerdings nicht nur jene Herausforderungen meistern, denen sich einst schon ihre Eltern stellen mussten. Die Technisierung des Alltags, die hohe Verfügbarkeit von Smartphones, Computern, Online-Lernprogrammen und Videospielen und die damit steigenden Anforderung die so wichtigen neuen Fähigkeiten zu erlernen, fordern das kindliche Gehirn, die Seele und – durch die vermehrt sitzende Tätigkeit – auch den Körper zusätzlich. Vor allem der Bewegungsapparat (bei Unterbeanspruchung) und die Augen (bei Überbeanspruchung) können Schaden nehmen.    

Der moderne Lifestyle als Risiko

Der sedentäre Lebensstil ist laut WHO eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass Kinder, egal ­welchen sozioökonomischen Hintergrunds, rund 5,4 Stunden täglich an Schultagen und 7,5 Stunden an schulfreien Tagen mit sitzendem Freizeitverhalten verbringen. Hinzu kommen vier bis sechs Stunden täglich auf der Schulbank, beim Autofahren, Essen und bei den Hausaufgaben. Unser Nachwuchs sitzt also einen Großteil der Woche bis zu 11,4 Stunden täglich auf seinen vier Buchstaben. Weniger als ein Fünftel (17,4 Prozent) erfüllt die WHO-Bewegungsempfehlung von täglicher körperlicher Aktivität im Ausmaß von mindestens 60 Minuten. (Quelle: BSO). Wird der aktivste Lebensabschnitt in Bewegungslosigkeit verbracht, schadet das der Entwicklung und dem Wachstum enorm, da nahezu alle biologischen Systeme davon abhängig sind, in der angemessenen Weise beansprucht zu werden. Ein sich addierender Risikofaktor ist die moderne, industriell verarbeitete Ernährung. Diese zeichnet sich durch Nährstoffarmut, den Einsatz künstlicher Zusatzstoffe und einen hohen Anteil zumeist versteckter Zucker aus. Das Kind wird überernährt und unterversorgt, was in Kombination mit ­Bewegungsmangel zu Adipositas führen kann. „Übergewicht im Kindesalter“, so warnt Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm (MedUni Wien), Präsident des Ö. Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE), „kann lebenslange ­gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.“ 40 Prozent der Kinder an Wiens Schulen sind laut seiner Studien bereits betroffen.

Stellschraube Ernährung

Die Ernährung ist ein Schlüsselfaktor beim Erwerb von körperlicher sowie auch mentaler Stärke und beim Aufbau eines guten Immunsystems. Prof. Widhalm gibt (s. unten.) einen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse der Forschung. Vom erhobenen Zeigefinger rät der erfahrene Spezialist ab und setzt stattdessen auf das neue „Du darfst“-Prinzip der Harvard Medical School (s. Tellermodell des ÖAIE), das eine natürliche gemüse- und vollkornlastige Ernährung propagiert.  

ÖAIE 2018
© ÖAIE 2018, Bildagentur 123rf.com


Stellschraube Bewegung

Regelmäßige Aktivität stellt die zweite wichtige Säule für lebenslange Gesundheit dar. Sie unterstützt im Kampf gegen Kilos, ist wertvoller Verbündeter beim Aufbau des Immunsystems, des Bewegungsapparats (sorgt für starke Muskeln, Knochen, Sehnen und Gelenke) und beim Erwerb geistiger Fähigkeiten. Nach Erkenntnissen von Neurowissenschafterin Dr. Manuela Macedonia (Autorin von „Beweg dich! Und dein Gehirn sagt Danke“; Brandstätter Verlag) regt moderater Ausdauersport wie z. B. Rad fahren die Produktion von Immunzellen und Gehirnzellen an. Zudem gilt: Wer mehr sportelt, verbringt automatisch weniger Zeit vor PC, TV & Co. und hilft so dabei, den Rücken und die oft sehr strapazierten Augen gesund zu halten! Gehen gesunde Ernährung und eine aktive Freizeit Hand in Hand, kann eine nachhaltig solide Basis für ein aktives und erfülltes Leben geschaffen werden. Viele weitere konkrete Empfehlungen der Experten zur Gesunderhaltung Ihres Kindes finden Sie in den Info-Kästen auf dieser Seite.

 

Umgang mit Essen
Gut zu wissen:
Das „Du darfst“-Prinzip. Empfehlungen mit erhobenem Zeigefinger hält Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, Präsident des Ö. Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE) und Initiator des Vorsorge-Projektes EDDY, für kontraproduktiv, wenn es ­darum geht, Menschen zu gesunder Ernährung zu animieren. Er setzt deshalb auf das „Du darfst“-Prinzip der Harvard Medical School. Eine Tellergrafik (li.) vermittelt praxisnah, welche besonders empfehlenswerten Nahrungsmittel auf den Tisch sollten und in welchem Verhältnis zueinander Gemüse, Obst, Getreideprodukte aus Vollkorn sowie gesunde Proteine stehen sollten. Das Konzept kommt ohne Verbote aus. „Schlechte Lebensmittel“, so Prof. Widhalm, „gibt es nicht. Es kommt auf die Gesamternährung an!“ Laut WHO sollte der Zuckerkonsum jedoch maximal zehn Prozent der Gesamtenergiezufuhr ausmachen.
Tipp für eine Schuljause: Die ideale Schuljause ist ausgewogen und abwechslungsreich: Vollkorngebäck mit Käse, Schinken, Kräutern und Müsli eignen sich gut; als Snacks: Obst und Gemüse.

Mahlzeitentakt

Wie oft essen? „Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz, dass Kinder eine ­bestimmte Anzahl an Mahlzeiten haben sollten. Manche frühstücken ungern, sie haben einen niedrigen Blutdruck. Es wäre nicht sinnvoll, ihnen Frühstück aufzuzwingen, sie sollten z. B. um neun, zehn Uhr essen“, so der Experte.  

Warnzeichen erkennen
Ab wann ist ein Kind zu dick? Prof. Widhalm: „Wenn die Perzentilen 90 überschreiten. Diese Werte werden im Mutter-Kind-Pass nach der Untersuchung durch den Kinderarzt verzeichnet. Bei einem Wert über 97 liegt Adipositas vor, über 99,5 krankhaftes Übergewicht. Es empfiehlt sich, einen Kinderarzt mit Diplom für Ernährungsmedizin aufzusuchen. Beide Eltern müssen sich gleichermaßen informieren und engagieren.“

Umgang mit PC & Co.
Gut zu Wissen:
Omnipräsenz.  Kinder wachsen v. a. mit Smartphones auf und greifen bereits im Babyalter nach den Objekten der Begierde der Erwachsenen. Mehr als zwei Stunden täglich haben junge Menschen durchschnittlich ihr Smartphone oder Tablet im Einsatz. Besonders beliebt:  das Streamen der Lieblingsserie oder Online-Games. Beim Spielen, Surfen & Co. werden oft nicht nur „stressige“ Inhalte konsumiert, auch körperliche Schäden können die Folge sein.  

Schutz für den Bewegungsaparat
„Digitale Lähmung“ & neue „Kinderkrankheiten“. Die besondere Haltung – der Kopf wird nach vorne geneigt – führt zu Nackenverspannungen, Nackenschmerzen und letztlich auch Kopf- und Rückenschmerzen. Bei dieser Haltung hängt die Halswirbelsäule in ihren Bändern, be- und überlastet diese bis zu einer chronischen Reizung. „Als Verstärker wirken die damit verbundene Bewegungsarmut und Abwesenheit von Sonnenlicht – beides sehr wichtig für die Entwicklung eines harten Knochens – und einer natürlichen Widerstandskraft“, so Prof. Dr. Ronald Dorotka, FA für Orthopädie, Orthopädische Chirurgie – Sportorthopädie und Rheumatologie; Präsident des BVdO. Auch der SMS-Daumen (macht sich durch ziehende und stechende Schmerzen bemerkbar) ist ein häufiges Krankheitsbild. Der Experte spricht sich für ­angepasste Tische und v. a. regelmäßige Bewegung für den Nachwuchs aus. „Für uns Orthopäden kann es nicht genug Turnstunden geben“, so Prof. Dorotka. Welcher Sport betrieben wird, sei dabei eher Nebensache.  

Schutz für die Augen
Sehkraft in Gefahr. Ein übermäßiger Konsum von Screens kann zu Sehstörungen und dem ­trockenen Auge führen. OA Doz. Dr. Martin Dirisamer: „Tablets oder Smartphones sind platt. Dies kann die Entwicklung des räumlichen Seh- und Vorstellungsvermögens bei Kindern beeinträchtigen, oder den korrekten Wechsel zwischen Nah- und Fernsicht. Zudem kann es zu vorübergehender verschwommener Sicht und auch zum Schielen kommen.“ Der Augenarzt rät: „Kinder in der Volksschule sollten maximal eine Stunde täglich vor dem Tablet/Smartphone sitzen.“ Um Kurzsichtigkeit oder anderen Augenkrankheiten dabei vorzubeugen, sollte die optimale Leseentfernung von mindestens 30 Zentimeter eingehalten werden.

Bewegter Alltag
Gut zu wissen:
Studienlage. „Je länger“, so Prof. Widhalm, „Kinder täglich vorm TV und PC sitzen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Übergewicht frühzeitig entsteht – so Studien.“ Bewegung hält nicht nur schlank, sie lässt, laut Neurowissenschafterin Dr. Manuela Macedonia auch neue Gehirnzellen sprießen (Anregung der Neurogenese). Weiters unterstützt die Belastung den Knochen-, Sehnen, Muskel- und Gelenksaufbau.

Empfohlener Bewegungsumfang
Für die Allgemeingesundheit: Etwa eine Stunde pro Tag – egal, was für eine Art der Bewegung – ob es Fußball spielen ist oder einfach im Park herumzulaufen.
Tipp zur Förderung der Denkleistung. Vier bis fünf Mal pro Woche Ausdauersport wie Radfahren oder Wandern anbieten.

Tipps für den Schulweg

Wie für Erwachsene gilt: Treppe ist besser als Lift. Und: Im Idealfall einen Teil des täglichen Weges per pedes absolvieren (z. B. eine Busstation früher aussteigen). Um den Bewegungsapparat zu schonen, sollte das Gewicht der Schultasche maximal 10 bis 12 Prozent des Körpergewichts ausmachen. Der Rücksack/die Tasche sollte zudem mit zwei Riemen getragen werden.
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