Wirkstoff APN01

Experten-Interview: Medikament gegen Covid-19

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Prof. Penninger arbeitet auf Hochtouren an einem Wirkstoff zur Behandlung von Covid-19. Das Interview. 

Bereits vor 22 Jahren erforschte der studierte österreichische Mediziner und renommierte Genetiker und Immunologe Prof. Dr. Josef Penninger mit Kollegen das sogenannte ACE2-Enzym, das das Coronavirus nutzt, um in menschliche Zellen zu gelangen. Jetzt sprach er im oe24.TV-Interview mit Niki Fellner über den SARS-CoV-2-Medikamentenkandidaten, der das Virus aussperren soll. 
 
Prof. Dr. Josef Penninger
© beigestellt

Prof. Dr. Josef Penninger ist Immunologe und Genetiker, Direktor des Life Sciences Institute (LSI) der University of British Columbia in Vancouver (Kanada) und Gründer des Wiener Biotech-Unternehmens Apeiron Biologics. Er wurde am 12.12. mit dem gesund&fit-AWARD 2020 ausgezeichnet.   
 
Wie sieht der derzeitige Entwicklungsstand Ihres Medikaments gegen das Coronavirus aus und wie wirkt es?
Prof. Dr. Josef Penninger: Das Medikament APN01 wird derzeit beim Wiener Biotech-Unternehmen Apeiron Biologics entwickelt. Die Rekrutierung von Patienten für die sorgfältige klinische Studie ist abgeschlossen und wir hoffen, dass wir bald tragfähige Daten dazu präsentieren können. Es hilft keinem, wenn man schlechte Studien vorschnell der Öffentlichkeit präsentiert. Natürlich möchten wir eine baldige Zulassung für Europa und andere Länder erreichen. Vom Prinzip her ist es wahrscheinlich das „rationalste Medikament“, das existiert. Das Mittel wirkt zweifach: ACE2 – die Tür, die das Virus benutzt, um uns zu infizieren – wird blockiert und dabei werden außerdem Organe wie Lunge, das Herz und Blutgefäße vor Schäden geschützt.
 
Wann wussten Sie, dass Ihr Medikament auch gegen SARS-CoV-2 wirkt?
Prof. Penninger: Im Zuge der Forschung an Fruchtfliegen-Herzen entdeckten wir vor 22 Jahren ACE2 und publizierten 2005, dass dieses Enzym die essenzielle Tür ist, die das SARS-Virus von 2002/03 zur Infektion verwenden muss. Schon damals wollten wir es als Therapieform für Lungenerkrankungen verfolgen, doch die Relevanz fehlte, da SARS eingedämmt worden war. Als „der Bruder“ SARS-CoV-2  ­eine Pandemie verursachte, wusste ich – nach Bekanntgabe der genetischen Sequenz des Virus am 10. Jänner 2020 –, dass wir, basierend auf unser fundamentales Wissen, nun ein Medikament entwickeln müssen und wandte mich an Apeiron Biologics. ACE2 erklärt so vieles: Es sitzt in der Nase, im Rachen, dort, wo das Virus landet und ganz tief in der Lunge. Deswegen führt das Virus zu der typischen Lungenentzündung und von dort breitet es sich aus. ACE2-Andockstellen befinden sich außerdem im Gehirn, im Herzen, in den Nieren, in den Blutgefäßen und somit kann das Virus bei schwer Erkrankten streuen. 
 
Für wen ist das Medikament geeignet und wie wird es verabreicht?
Prof. Penninger: Wir testen es zurzeit an schwer erkrankten Patienten, werden es aber auch in früheren Stadien anwenden. Bei gerade Infizierten kann es wahrscheinlich sogar noch besser wirken. Darüber hinaus wird eine präventive Einsatzmöglichkeit untersucht, z. B. in Form einer Inhalation. Damit könnte man etwa das Krankenhaus- oder Pflegeheimpersonal vor einer Infektion schützen. Es wird zweimal am Tag intravenös injiziert. Andere Applikationen werden noch erprobt. 
 
Die Impfung ist ein Gamechanger, doch ein Medikament ist wichtiger – so sagt man. Sehen Sie das auch so?
Prof. Penninger: Impfungen sind natürlich Gamechanger, aber ebenfalls absolut essenziell ist ein Medikament für die Kranken. Moderne Wissenschaft hat dazu beigetragen, dass ein Impfstoff so schnell entwickelt werden konnte. Bis wir die Welt durchgeimpft und eine Herdenimmunität erreicht haben, wird es aber noch einige Jahre dauern. Auch der Moderna-Chef (Anm.: Biotech-Unternehmen: entwickelt einen Impfstoff gegen COVID-19) ist der Meinung, dass wir unbedingt Medizin zur Behandlung der Kranken benötigen.  
 
Werden wir – wie es Bundeskanzler Kurz vorausgesagt hat  –  Mitte 2021 wieder normal leben können? 
Prof. Penninger: Wir werden zu einer neuen Normalität kommen müssen. Das Virus wird noch bleiben, aber wir haben hoffentlich bis dahin Impfstoffe und Medikamente, die gut funktionieren. Es wird aber nichts so sein wie vorher. Etwas Wichtiges beim Kampf gegen die Pandemie, das jedoch in vielen Ländern ignoriert und unterschätzt wurde, ist das Testen. Wenn wir die Infizierten frühzeitig finden und in Isolation schicken, stecken sie andere nicht an. Das wird man in einem halben Jahr aber besser im Griff haben.
 

ACE2-Forschung

Sars-CoV-2 und das Enzym ACE2:
Das neuartige Coronavirus wird Sars-CoV-2 genannt und löst die Krankheit Covid-19 aus. Da das Virus eine sehr enge Verwandtschaft mit dem SARS-Virus aufzeigt, das 2002 und 2003 vor allem den asiatischen Raum betroffen hat, wurde es nach diesem benannt. Vor 22 Jahren forschte Josef Penninger zusammen mit anderen an Fruchtfliegen, um neue Gene für die Herzentwicklung zu finden. In diesem Zusammenhang konnte nachgewiesen werden, dass das Enzym ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) nicht nur Organe vor ­einem Versagen schützt, sondern auch ­essenzieller SARS-Rezeptor ist, das bedeutet, es ist jenes Molekül, an das das Sars-Virus an der Zelloberfläche andockt. 
 
Wirkung von APN01 (rhACE2):
Das erforschte Enzym ACE2 nutzt das Coronavirus zum Eindringen in menschliche Zellen. Der lösliche Wirkstoff APN01 soll nun auf dieser Grundlage anstelle von ACE2 an das Virus anbinden, indem es das menschliche ­Enzym ACE2 nachahmt. Dadurch werden die Zellen nicht mehr infiziert, denn das synthetische Enzym verfügt über das ­Potenzial, die Infektion von Zellen durch SARS-CoV-2 zu blockieren, die Viruslast zu verringern, entzündliche Reaktionen in der Lunge und akutem Lungenversagen (ARDS) entgegenzuwirken sowie Herz, Blutgefäße und Nieren zu schützen. In ­Bezug auf das Mittel muss noch geklärt werden, ab wann und in welcher Form eine Verabreichung Sinn macht.
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