Die neue Rückenschule

Nie mehr Kreuzschmerzen: So geht's!

27.04.2014

Wie Sie der Volkskankheit vorbeugen und was Sie tun können, wenn es schon zwickt.

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Anhaltende Schmerzen im Rücken? Da war man früher schnell am OP-Tisch. Der neue Gesund-Trend geht jedoch ganz klar in eine andere Richtung: „Konservativ statt invasiv“. Mit anderen Worten: vorbeugen statt operieren. Was wirklich hilft, was der neue Trend bringt und wie wir unsere Wirbelsäule richtig warten, verrät der Wiener Top-Experte Dr. Paul Köstler, Facharzt für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie in gesund&fit.

Video: Dr. Grönemeyer zeigt: So halten Sie Ihren Rücken fit!

Stütze und Schwachstelle
Unsere Wirbelsäule ermöglicht uns, federleicht Salti zu schlagen, und ist von Natur aus dafür konzipiert, eine Last von 1,5 Tonnen zu tragen. Sie ist stabil und beweglich zugleich, sie schützt unser Rückenmark und sorgt gleichzeitig dafür, dass in kleinen Abständen Dutzende Nervenstränge austreten können. Insgesamt 24 bewegliche Wirbel (sieben im Hals, zwölf im Brustbereich, fünf in der Lende) bilden eine knöcherne Kette, die sich kippen und verdrehen lässt. Sie ist die starke Stütze unseres Lebens, aber gleichzeitig auch unsere große Schwachstelle. Während die einen behaupten, die Wirbelsäule sei eine geniale Konstruktion der Natur, die nur schlecht gewartet werde, behaupten andere, der Mensch hätte sich gar zu schnell entwickelt, um eine tragfähige Adaption zu ermöglichen. Unser Rückgrat sei vielleicht gar nicht für den aufrechten Gang auf zwei Beinen geeignet. Feststeht: Rund ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher (Statistik Austria) im Alter von 15 und mehr Jahren, also fast 2,3 Millionen, leidet unter Wirbelsäulenbeschwerden.

Besonders betroffen sind Menschen zwischen 35 und 55 Jahren, so Experten. An gelegentlichen Rückenbeschwerden laborieren 90 Prozent der Erwachsenen in der westlichen Welt, weshalb es sich nach Einschätzung der Grazer Uniklinik für Orthopädie mittlerweile um eine „schwerwiegende Volkskrankheit“ handelt. Dabei unterscheiden Mediziner zwischen akuten Rückenbeschwerden, die wieder abklingen, und chronischen, für die oft keine plausible Erklärung gefunden werden kann.

Diagnose: meist „nicht spezifisch“
85 Prozent aller Betroffenen bekommen die Diagnose „nicht spezifischer Rückenschmerz“ gestellt – nicht „spezifisch“, weil die Schmerzen keiner eindeutigen Ursache zugeordnet werden können. „Nur einige wenige Prozent“, so Dr. Paul Köstler im gesund&fit-Interview, „haben Bandscheibenvorfälle. Und diese führen in nur etwa zwei Prozent zu einer Operation. 98 Prozent der Fälle können konservativ behandelt werden. Der Trend geht eindeutig weg von Operationen. Die große Mehrheit der Patienten hat, einfach erklärt, abgeschwächte Muskeln. Dadurch bleiben Funktionsstörungen zurück, die Schmerzen verursachen können.“

Verschleißerscheinungen, etwa deformierte Bandscheiben, müssen nicht zwangsläufig Auslöser für Rückenschmerzen sein. Denn altersbedingte Abnützungen sind natürlich. Bereits ab dem 30. Lebensjahr verlieren kleine Wirbelgelenke allmählich an Geschmeidigkeit, verformen und verdichten sich. In den Fasern, die den Bandscheibenkern ummanteln, können sich kleine Risse bilden. Bersten die Fasern, quillt Masse heraus. Aber ein solcher Bandscheibenvorfall muss nicht einmal bemerkt werden. Die größeren Gefahrenstellen sind nicht die Verschleißerscheinungen, so der Experte, sondern die nicht geforderten Muskeln. Und bei den Muskeln, den großen und vor allem den kleinen, gilt es bei der Prävention anzusetzen.

Die Ursachen – physisch & psychisch
Unser Rücken wurde für enorme Belastungen konzipiert, nicht aber für unseren modernen Lebensstil mit Nine-to-Five-Jobs im Bürosessel. Der Mensch ist von Natur aus ein Savannen- und Steppenläufer. Unsere Ahnen haben vor Tausenden Jahren etwa 20 Kilometer pro Tag zurückgelegt. „Der Bewegungsmensch“, so Dr. Köstler, „ist in den letzten 70, 80 Jahren zum Sitzmenschen geworden. Jeder Muskel, der nicht bewegt wird, wird verkürzt und steif. Man kann die volle Funktion nicht mehr ausschöpfen.“

Wie kein anderer Teil des Körpers ist der Rücken darauf angewiesen, permanent bewegt und belastet zu werden – die Wirbel, die Bandscheiben, die Bänder und vor allem die Muskeln. Der moderne Mensch leidet – schon im Kindesalter – an physischer Unterforderung und psychischer Überforderung. Für unseren Rücken bedeutet das: Zum einen verliert die Wirbelsäule ohne kräftiges Muskelkorsett ihren natürlichen Schutzmantel, wird instabil und krümmt sich. Um diese Fehlstellungen zu kompensieren, spannen sich bestimmte Muskelstränge permanent an. Es kommt zu schmerzhaften Verspannungen. „Und da beginnt der Teufelskreis“, so Dr. Köstler. „Es kommt zu einer Schonhaltung, zu weniger Bewegung, zu Muskelschwund, zu noch mehr Schmerzen, zu noch mehr Schonhaltung ...“

Hinzukommt die psychische Komponente. Seelische Belastungen, vor allem im Berufsalltag, sind unweigerlich mit körperlichen Symptomen verbunden. „Die Wirbelsäule“, so Dr. Köstler, „ist mit ihren direkten Verbindungen zum Gehirn und zu inneren Organen der Hauptprojektionsort für psychosomatische, also von der Psyche auf den Körper abgeschobene, Probleme. So führen sie unter anderem dazu, dass insbesondere die Rückenmuskulatur permanent unter Spannung steht. Es folgen die bekannten Muster: Muskelermüdung, Verhärtung, Schmerzen ...“ Sowohl den müden Muskeln als auch dem Stress kann jedoch mit simplen Übungen entgegengewirkt werden.

Prävention ist der Schlüssel
„Massagen und Infiltrationen“, so Dr. Köstler, „sind zwar ein bequemer Weg, Symptome loszuwerden, aber keine dauerhafte Lösung. Einzig nachhaltig: regelmäßiges Training und Dehnung der Muskulatur.“

Aktive Therapien sind wirkungsvoller als passive. „Zu viel Bettruhe führt nachweislich zu vermehrten Problemen und zu einer Chronifizierung“, warnt der Top-Orthopäde. gesund&fit stellt Übungen für die wichtigsten Muskelgruppen vor: den unteren Rücken, das Gesäß, die Bauchmuskulatur sowie den oberen Rücken und den Nacken. „Krafttraining geht bei der Prävention eindeutig dem Ausdauertraining vor. Ich behaupte, dass man mit vier Übungen für den Hals und etwa sechs Übungen für Lenden und Brust nachhaltig trainieren kann. Ich empfehle täglich eine Zehn- bis Fünfzehn-Minuten-Einheit, falls man schon Beschwerden hat. Wenn alles stabil ist, reichen zwei Einheiten pro Woche“ , erklärt der Wirbelsäulen-Spezialist. Sportarten wie Schwimmen, Joggen, Nordic Walking oder Radfahren, so die Experten, seien ideal, um am Ball zu bleiben.

Fazit: Aktiv statt passiv!
Wer Beschwerden im Rücken hat, darf nicht mit einer raschen und einfachen Heilung rechnen. Aber dafür sind viele Patienten in der Lage, sich mit der richtigen Bewegung selbst zu kurieren. Und viel einfacher und noch mehr Freude macht es, es mit simplen Übungen gar nicht so weit kommen zu lassen.

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