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Interview mit Priv.-Doz. Dr. Sieglinde Reinisch

Neue Therapien bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

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Werden chronisch-entzündliche Darmerkrankungen rechtzeitig und effizient behandelt, besteht die Chance, dass Patient*innen ein weitgehend normales Leben führen können. Die Expertin klärt auf: 

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen können derzeit noch nicht ursächlich behandelt werden, da man den Grund der Entstehung noch nicht kennt.

Innovative Medikamente sind jedoch in der Lage – sofern sie frühzeitig und richtig eingenommen werden – die angegriffene Darmschleimhaut zu regenerieren, weitere Krankheitsschübe zu verhindern und die chronische Krankheitsaktivität langfristig einzudämmen.

Ziel der Therapie ist die vollständige Abheilung der Darmschleimhaut, die zu einem Wiedergewinn und Erhalt der Lebensqualität führt. CED-Expertin Priv.-Doz. Dr. Sieglinde Reinisch, Fachärztin für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie, gibt im Interview Einblick in die State-of-the-Art-Therapiemethoden:

Die Auswahl der Medikamente richtet sich nach dem Grad des Entzündungsgeschehens. Welche Präparate kommen erfolgreich bei einem leichten Krankheitsverlauf zum Einsatz?

Priv.-Doz. Dr. Sieglinde Reinisch: Wurde bei der Patientin bzw. dem Patienten nur eine leichte Entzündung diagnostiziert, kommen entzündungshemmende Medikamente bei der Colitis ulcerosa zum Einsatz. Sie greifen nicht unterdrückend in das Immunsystem ein. Die Medikamente werden nicht nur während eines Schubes verabreicht, sondern langfristig, um weitere Schübe zu vermeiden.

Welche Optionen gibt es, wenn schwach entzündungshemmende Medikamente nicht ausreichen?

Priv.-Doz. Dr. Sieglinde Reinisch: Lange war die Gabe von Kortison die Standardbehandlung. Es steht immer noch zur Verfügung, man rückt jedoch nach Möglichkeit von einer wiederholten Gabe ab, vor allem soll es nicht dauerhaft eingesetzt werden. Für die dauerhafte Gabe stehen mittlerweile zielgerichtetere Präparate zur Verfügung: die Biologika sowie neue Substanzen namens „Kleine Moleküle“ (Anm.: „Small Molecules“)

Was wirkt wie? Und wann wird welches Medikament eingesetzt?

Bei einem mittelschweren Schub eines Morbus Crohn oder einer Colitis ulcerosa können sowohl Biologika als auch „Kleine Moleküle“ eingesetzt werden. Beide sind in der Lage, die Entzündung einzudämmen. Sie greifen allerdings auf unterschiedliche Weise ins Immunsystem ein.

Biologika blockieren bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe und hindern diese daran, die Entzündung auszulösen. Zu dieser Gruppe der „Kleinen Moleküle“ gehören die sogenannten JAK-Inhibitoren. Sie wirken innerhalb der Zelle und unterbrechen dort den Signalweg, der die Entzündung fördert.

Was sind die Vor- und Nachteile?

Priv.-Doz. Dr. Sieglinde Reinisch: Gemeinsam mit den Patient*innen werden die Risiken und Vorteile der verschiedenen Therapien abgewogen. Wichtig ist eine regelmäßige Kontrolle der Therapie, denn eine nicht ausreichend behandelte Erkrankung erhöht auch das Risiko für Folgeschäden und Begleiterkrankungen. Die JAK-Inhibitoren haben den Vorteil, dass die Wirkung rasch, sprich nach ein paar Tagen, einsetzt und nachhaltig ist. Bei Patient*innen über 65, die ein hohes Risiko z.B. für Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen aufweisen oder rauchen sind sie mit Vorsicht anzuwenden. Biologika gibt es schon länger und haben ein gut untersuchtes Sicherheitsprofil. Sie brauchen etwas länger bis die vollständige Wirkung da ist. Worauf man bei beiden achten muss: sie wirken auf das Immunsystem ein, wodurch das Risiko für Infekte steigen kann.

Sind die Medikamente für alle Patient*innen geeignet?

Priv.-Doz. Dr. Sieglinde Reinisch: Immer wenn man Medikamente einsetzt, die in das Immunsystem eingreifen, sprich die bestimmte Stellen im Immunsystem blockieren, müssen Voruntersuchungen gemacht werden. Es gilt vorab durch Blut- und Stuhluntersuchungen sowie Lungenröntgen Infektionen wie Hepatitis und latente Tuberkulose auszuschließen. Passen die Ergebnisse, so kann man mit der Therapie beginnen.

Wie werden sie verabreicht?

Priv.-Doz. Dr. Sieglinde Reinisch: Die „Kleinen Moleküle“ sind orale Medikamente, was sehr einfach in der Handhabung ist. Sie müssen nicht gekühlt werden und werden täglich geschluckt. Die Biologika-Therapie wird nur in Form von Injektionen (z.B. zuhause mittels Pen alle zwei bis zwölf Wochen, abhängig vom Präparat) und Infusionen bei Ärzt*innen angeboten.

Besonders wichtig ist die Therapietreue – also die regelmäßige Verabreichung und Einnahme der Präparate – sowie auch ein regelmäßiges Monitoring mittels Stuhl- und Blutuntersuchungen durch die Behandler*innen. Die Medikamente sollten nicht abgesetzt werden, auch nicht, wenn eine Besserung der Symptome eingetreten ist.

Welche Veränderungen werden als Erfolg gewertet?

Priv.-Doz. Dr. Sieglinde Reinisch: Es zählt nicht nur, dass es den Patient*innen gut geht, auch die Laborwerte sind wichtig. Mittels Monitoring wie dem Calprotecin (Stuhltest) können wir erkennen, ob die Darmschleimhaut abheilt.

Wenn die Darmschleimhaut abgeheilt ist, dann wissen wir, dass die Patientin bzw. der Patient, weniger oft Schübe entwickeln wird, weniger häufig im Krankenhaus behandelt werden muss und sich das generelle Wohlbefinden verbessert.

Linktipps

  • DarmTalk - Dein Podcast zu Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, präsentiert von der Initiative CED-Kompass. 
  • Warum ist eine Abheilung der Darmschleimhaut wichtig? Hier das Video mit Priv.-Doz. Dr. Sieglinde Reinisch:

  • Besser Leben mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa – die Informationsplattform für CED-Betroffene unter www.crohn-colitis-info.at
  • MAGDA – Magen-Darm-Gesundheitszentrum 
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