Office-Eye-Syndrom

Wenn Arbeit ins Auge geht

05.06.2015

Zu viel, zu lange, zu intensiv: Jeder Zweite hat Probleme mit der Bildschirmarbeit. Smartphones, Tablets und Co. in der Freizeit strengen unsere Augen zusätzlich an: Was Sie tun können, um Ihre Augen trotz Dauerbelastung fit zu halten.

Zur Vollversion des Artikels
© Getty
Zur Vollversion des Artikels

Im Büro starren wir oft stundenlang auf den Bildschirm, beim Mittagessen surfen wir schnell mal auf dem Tablet im Netz. Und das Smartphone ist – beruflich wie privat – ohnehin zu jeder Tages- und Nachtzeit griffbereit: Ein Leben ohne die kleinen und großen Schirmchen ist für die meisten von uns inzwischen unvorstellbar. Doch so praktisch Computer, iPhone und Co. auch sind, der allzeit bereite Bildschirm hat seine Tücken. Und kann schnell ins Auge gehen. Im wahrsten Sinn des Wortes. Denn noch nie kämpften so viele Menschen wie heute mit Sehbeschwerden.

Jeder Zweite hat Augenprobleme

„Die Hälfte der Leute, die in meine Praxis kommen, haben Probleme mit der Bildschirmarbeit“, bestätigt der Wiener Top-Augenarzt Prof. Dr. Paul Drobec im gesund & fit-Interview (s. Seite 13). Unscharfes Sehen in die Ferne und Kopfschmerzen im Büro und danach sind häufige Beschwerden, für die die Wissenschaft inzwischen einen eigenen Begriff gefunden hat: das Office-Eye-Syndrom.  Unter diesem Terminus verbirgt sich das klassische „trockene Auge“, das häufig durch allzu langes und intensives Bildschirmstarren ausgelöst wird.



Bildschirmarbeit mit Folgen

Die PC-Arbeit ist für das Auge Schwerstarbeit, denn es muss sich permanent auf eine kurze Distanz fokussieren. Die Lidschläge verringern sich von 9,7 auf 4,3 pro Minute, der natürliche Tränenfilm

wird nicht mehr ausreichend produziert. Das Auge wird für Bakterien und Keime anfälliger, weil diese durch die fehlenden Tränen nicht mehr ausreichend ausgewaschen werden. Und schon nimmt der Kreislauf aus Müdigkeit, Verspannung und Entzündungen seinen Lauf.
Verstärkt wird das Phänomen noch durch die ständige Bildschirmnutzung in unserer Freizeit, sei es das Tablet, das Smartphone oder auch der Familienfernseher. Was allein diese Hilfsmittel, im Übermaß angewendet, anrichten können, sieht Dr. Drobec tagtäglich in seiner Praxis: „Noch nie waren so viele Kinder und Jugendliche kurzsichtig wie heute.“

Gönnen Sie Ihren Augen Pausen

Doch was ist nun die Lösung? Zurück zu Papyrusrolle, zum Festnetztelefon, zur guten alten Papierzeitung? Für unsere Augen wäre es ideal, in der Praxis freilich unmöglich umzusetzen. „Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten“, so Dr. Drobec, der Computer, Handy und Co. nicht per se verteufeln will. Sein Tipp: „Wenn man die Hilfsmittel verantwortungsvoll einsetzt und sich der Gefahren bewusst ist, geht es auch ohne Augenschäden.“
Heißt konkret: Im Büro auf ein möglichst augenfreundliches Umfeld achten: großer Bildschirm, falls benötigt eine spezielle Brille für die Augen und Luftbefeuchter fürs Raumklima. Wichtig ist es auch, regelmäßige Bildschirmpausen einzulegen. Denn obwohl der Gesetzgeber zehn Minuten pro Stunde vorschreibt, halten sich die wenigsten daran: 15 Prozent der Arbeitnehmer in Österreich gönnen sich und ihren Augen an einem durchschnittlichen Tag gar keine.

Ausdauersport und „echte“ Bücher
Ist der Bürotag vorbei, geben Sie Ihren Augen Zeit zum Erholen. Neben gelegentlicher Smartphone- und Tablet-Abstinenz empfehlen Augenärzte Sport als Ausgleich. „Bewegung ist das halbe Leben“, so Dr. Drobec. Dazu brauchen die Augen Regeneration über Nacht. Elektronische Bücher sind die denkbar schlechteste Bettlektüre. Laut aktueller Studie schliefen E-Book-Fans durchschnittlich später ein und hatten kürzere Traumphasen. Besser deshalb am Nachtkasterl (wo übrigens auch das Smartphone nichts verloren hat): das gute alte Buch. Ihre Augen werden es Ihnen danken!

Prim. Prof. Dr. Paul Drobec im Talk

Immer mehr klagen über Augenprobleme in Bürojobs. Worauf sind die Beschwerden konkret zurückzuführen?
Dr. Paul Dobrec
: Das Hauptproblem ist, dass die Leute täglich – oft auch unfreiwillig – stundenlang auf die Mattscheibe starren. Wir sitzen da wie das Kaninchen vor der Schlange. Dadurch wird der Lidschlag seltener betätigt, der Tränenfilm wird geringer. Die schlechte Luft im Büro und Klimaanlagen tragen ihr Übriges dazu bei, trockene Augen zu fördern. Problematisch ist auch, dass wir ständig auf kurze Distanz, auf 40 Zentimeter schauen, bei starrer Sitzhaltung. Unser Körper ist aber auf Bewegung ausgerichtet. Die Akkumulation funktioniert deshalb irgendwann nicht mehr. Und viele klagen, dass sie am Abend gar nicht mehr in die Ferne sehen können.


Immer wieder wird das „blaue Licht“ von Bildschirm, Smartphone und Co. als „Killer“ für die Augen angeführt.
DOBREC:
Das ist mehr ein Märchen als ein Faktum, auch wenn es immer wieder durch die Medien geistert. Es gibt dafür keinerlei wissenschaftlichen Beweis. Ob jemand dieses Licht stört oder nicht, ist eher eine subjektive Sache. Das Problem ist nicht das Licht an sich, sondern das unnatürliche Sehen den ganzen Tag über.


Was kann ich nun in der Praxis konkret machen, um Augenproblemen vorzubeugen?
DOBREC: Um die Ursache zu beseitigen, müsste man alle Bildschirme, Tablets und Smartphones vernichten. Das ist natürlich unrealistisch. Deshalb kann man nur versuchen, bestmöglich Schadensbegrenzung zu betreiben: Am Arbeitsplatz einen möglichst großen Bildschirm mit guter Auflösung verwenden. Die Helligkeit an die Umgebung anpassen. Der Bildschirm sollte weder viel heller noch viel dunkler sein als die Umgebung. Und die gesetzlich vorgeschriebenen Bildschirmpausen – zehn Minuten pro Stunde – einhalten und zwischendurch immer wieder möglichst oft in die Ferne sehen. Wichtig ist auch, dass man nicht gebückt vor dem Schirm sitzt, das ist vor allem bei großen Menschen ein Problem. Ab ca. 45 Jahren ist oft eine spezielle Bildschirmbrille notwendig, die vom Dienstgeber zu bezahlen ist. Dazu gilt, was auch für den Rest des Körpers gilt: Bewegung ist das halbe Leben! Ein Ausdauersport zum Ausgleich ist nicht nur für den Kreislauf gut, sondern auch für die Augen.


Was ist mit Tablets, Smartphones etc. in der Freizeit?
DOBREC: Man muss sich nur in der Straßenbahn umsehen: Jeder glotzt auf sein Handy, spielt irgendetwas oder schreibt schnell eine SMS. Das ist natürlich nicht gut, denn kleine Schirme strengen das Auge noch mehr an. Aber man kann die Entwicklung nicht stoppen. Ich rate deshalb: Diese Geräte möglichst oft nicht bzw. sparsam zu benützen. Was sie anrichten, sieht man schon bei Kindern und Jugendlichen: Es gab noch nie so viele mit Kurzsichtigkeit. Das hat mit den Smartphones und Tablets zu tun, die ständig genutzt werden, auch mit der elektronischen Großmutter, dem Fernseher. Ich rate, Kindern erst ab frühestens zwölf Jahren Smartphones und Ähnliches benützen zu lassen.


Sind alle Menschen gleich anfällig für Augenprobleme?

DOBREC: Nein. Da spielt die psychische Komponente eine große Rolle: Menschen, die ihren Job an sich ablehnen, zum Beispiel auch ältere, die auf Computer umgeschult wurden und sich dadurch inhaltlich überfordert fühlen, haben früher Probleme. Das kommt wirklich ganz auf den Menschen an.
 

Zur Vollversion des Artikels