Vorhofflimmern stark steigend:

Symptomerkennung entscheidend zur Vermeidung von Schlaganfall

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Regelmäßiges Pulsfühlen und -messen ab 65 Jahren kann Leben retten

Im Rahmen einer Pressekonferenz am 14. Juni anlässlich des internationalen Herzrhythmuskongresses EHRA EUROPACE-CARDIOSTIM 2017 in Wien informierten führende Herzrhythmus-Experten der European Heart Rhythm Assosication (EHRA) und der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG) über die steigende Bedrohung durch Vorhofflimmern. Sie präsentierten neue internationale Behandlungsrichtlinien und medikamentöse Sofortbehandlungen am letzten Stand zur Vermeidung von Schlaganfall. Darüber hinaus forderten sie ein breites Vorsorgeprogramm (Screening) zur Symptomerkennung von Betroffenen.

Verdoppelung an Vorhofflimmern-Betroffenen in den nächsten 20 Jahren

Vorhofflimmern ist die häufigste aller Herzrhythmusstörungen. In den Ländern der westlichen Welt sind etwa 1,5 bis 3 Prozent der Menschen vom Vorhofflimmern betroffen mit einer stark steigenden Tendenz. „Es ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der vom Vorhofflimmern Betroffenen in den nächsten 20 Jahren nahezu verdoppeln wird“, sagt  Kongressleiter Prof. Dr. Gerhard Hindricks, Leiter der Abteilung Elektrophysiologie des Herzzentrums, Universität Leipzig. Dementsprechend ist es wichtig, die Aufmerksamkeit für das Vorhofflimmern und die damit verbundenen Risiken sowohl fachlich wie auch in der Bevölkerung zu schärfen. „Nur wenn Vorhofflimmern erkannt wird, ist eine zielgerichtete Behandlung zur Senkung des Schlaganfallrisikos möglich“, so Hindricks.

Medikamentöse Behandlung als erste Maßnahme

Nach wie vor steht zur Verminderung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern eine gerinnungshemmende, sogenannte blutverdünnende Medikation im Vordergrund. „Neue Medikamente erleichtern die Einstellung, sie bedürfen zudem keiner regelmäßigen Gerinnungskontrollen mehr“, sagt Prof. Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer, Präsidentin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft.

Ein darüber hinausgehendes Therapieziel – durch rhythmusstabilisierende Medikamente wieder einen regelmäßigen Pulsschlag herzustellen – muss für jeden Betroffenen jeweils individuell entschieden werden.

Neue internationale Behandlungsleitlinien

Für die Erstellung der neuen Behandlungsempfehlungen für Patienten mit Vorhofflimmern analysierte eine Expertengruppe von etwa 60 Herzrhythmus-Experten unter der Leitung von Professor Hugh Calkins aus Baltimore und Prof. Gerhard Hindricks aus Leipzig innerhalb der letzten 18 Monate über 1.000 wissenschaftliche Mitteilungen, klinische Studien und große Datensätze von Patienten mit Vorhofflimmern. Diese neuen Empfehlungen werden vom 18. bis 21. Juni 2017 in Wien erstmals vor über 5.000 Herzrhythmus-Experten präsentiert. Sie werden weltweit wesentliche Auswirkungen haben, vor allem auf die Durchführung der Katheterablation bei Vorhofflimmern. 

Die neuen Kernempfehlungen lauten: 1/6

Rechtzeitiges und zielgerichtetes Fahnden nach Vorhofflimmern

Nur wenn das Vorhofflimmern bekannt und dokumentiert ist, kann rechtzeitig behandelt werden. Dementsprechend ist es wichtig, dass die Menschen die Symptome und Anzeichen von Vorhofflimmern kennen, um bei Auffälligkeiten umgehend einen Kardiologen aufzusuchen.

Vorsorgeprogramm könnte viele Schlaganfälle verhindern

Mitglieder einer internationalen Kollaboration (AF Screen), darunter auch österreichische Experten, fordern in einer am 9. Mai 2017 veröffentlichen Studie ein einfaches aber breit angelegtes Screening, das viele Schlaganfälle verhindern könnte. Es würde damit auch die mit einem Schlaganfall oft verbundenen lebenslangen körperlichen Beeinträchtigungen reduzieren und viele Leben retten.

„Wenn Sie über 65 Jahre alt sind, sollten Sie einfach regelmäßig ihren Puls am Handgelenk fühlen und im Fall von Unregelmäßigkeiten Ihren Arzt kontaktieren!“, sagte Prof. Dr. Helmut Pürerfellner,Wissenschaftlicher Co-Direktor EuroPace 2017/2018 und Leiter des Departments Rhythmologie und Elektrophysiologie am Ordensklinikum Linz. Ein derartiges Screening hätte einen enormen positiven Effekt.

„Durch die jüngsten wissenschaftlichen Ergebnisse sind die politischen Entscheidungsträger aufgerufen,  die Früherkennung von Vorhofflimmern zu fördern. Solche Programme könnten in den Praxen der niedergelassenen Hausärzte, in Apotheken oder in den Gemeinden verwirklicht werden. Dabei sollte entweder der Puls gefühlt oder durch ein Blutdruckmessgerät oder ein EKG-Gerät, das den Herzschlag vom Daumen abnimmt, bestimmt werden“, sagt Pürerfellner. Im Falle von Vorhofflimmern würde dann unverzüglich die Einleitung einer Blutverdünnung erfolgen. Der gefürchtete Schlaganfall aber auch Herzschwäche und Herzinfarkte könnten so in vielen Fällen wirksam verhindert werden.

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