Pink Ribbon-Serie

Neue Therapien bei Brustkrebs

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Dank intensiver Forschung wird Krebs immer besser behandelbar. Prim. Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda spricht in g&f über neue Therapieformen und Aussichten auf Langzeitheilung.

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau – 5.500 Neudiagnosen müssen pro Jahr gestellt werden. Die Aufklärungsinitiative der Krebshilfe, die Pink Ribbon Aktion, sowie das 2014 eingeführte „Screening Programm“ haben dazu beigetragen, dass ­immer mehr Frauen das Angebot an ­Früh­erkennungsmaßnahmen (Vorsorge-Mammografie) in Anspruch nehmen und dadurch Brustkrebs immer früher erkannt wird. Je früher der Krebs entdeckt wird, desto höher sind die Heilungschancen. Zudem führen neue Behandlungsstrategien und die Etablierung von interdisziplinären Brustzentren zu einer zunehmenden Verbesserung von Chancen.
 
Hilfe nach der Diagnose 
Die Empfehlung der Krebshilfe im Falle einer Diagnose lautet, sich an ein „zertifiziertes Brustzentrum“ (Liste: krebshilfe.net) zu wenden. Ein Tumorboard – bestehend aus Experten verschiedenster Fachrichtungen – erstellt einen individuellen Behandlungsplan. Welche Therapien eingesetzt werden, hängt von der Art des Tumors, der Lokalisation, der Ausbreitung, der Histologie und auch von bestimmten Ausprägungen (Hormonrezeptoren, Eiweißstoffe) an Tumorzellen ab.   
 
Maßnahmen im Überblick 
Zur Behandlung von Brustkrebs stehen den Medizinern operative Eingriffe, die Strahlentherapie sowie medikamentöse Maßnahmen zur Verfügung.
In 95 Prozent aller Fälle muss die Patientin an der Brust operiert werden. Je nach Befund kann vor dem Eingriff eine Chemotherapie zum Einsatz kommen, um den Tumor zu verkleinern. In der Nach­behandlung werden, je nach Biologie der Tumorzellen, die lokal wirkende Strahlentherapie (u. a. nach brusterhaltenden OPs) und medikamentöse Therapien (s. unten.) angewendet. Zu  den  medikamentösen  Therapieformen bei Brustkrebs zählen die Chemotherapie (systemischer Zelltod), die Antihormontherapie (bei „hormonabhängigen“ Krebsformen) und die neuen zielgerichtete Therapien. Letztere ermöglichen eine wirksamere und für die Patientin weniger belastende Behandlung. Patientinnen, bei denen sich der Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium (Bildung von Metastasen) befindet, kann dank neuer Entwicklungen länger ein qualitätsvolles Leben geboten werden. Besondere Bedeutung messen Experten  der Antikörper-Therapie bei. Diese führt zu einer Störung der Signalübertragung an der Krebszelle, wodurch Wachstum gehemmt wird.  
 
Hoffnung Immuntherapie 
Für Aufsehen sorgte dieses Jahr die Ver­öffentlichung der Krankengeschichte der Judy Perkins. Im Zuge eines Forschungsprojekts in Chicago wurde die an metastasiertem Brustkrebs leidende Patientin – Ärzte gaben ihr drei Jahre – mit der Immuntherapie behandelt. Körpereigene krebsbekämpfende Immunzellen wurden im Labor vermehrt und in einer Zahl von 80 Millionen in den Körper injiziert. Prof. Paul Sevelda spricht von einem sensationellen Einzelfall und warnt davor, falsche Hoffnungen zu machen. Die Immuntherapie stecke erst in den Kinderschuhen. 
 
Auch wenn metastasierter Brustkrebs bis dato nicht heilbar ist: die Sterblichkeitsrate sinkt Jahr für Jahr. „Wir erzielen“, so Prof. Sevelda, „mittlerweile bei fortgeschrittenem Brustkrebs erstaunlich lange, beschwerdefreie Überlebenszeiten.“  
 
Brustkrebs: Die Fakten
Entstehung
Bei Brustkrebs (Mammakarzinom) handelt es sich um einen bösartigen (malignen) Tumor, der entsteht, weil das Wachstum der betroffenen Zellen vom Körper nicht mehr kontrolliert wird. Die entarteten Zellen vermehren sich ungezügelt, dringen in umliegende Gewebe ein und zerstören diese. Über das Lymph- und Blutsystem können die Krebszellen in andere Körperregionen vordringen und dort Tochtergeschwülste – sogenannte Metastasen – bilden. Der Großteil aller Brusttumore ist allerdings nicht-invasiv, das heißt, die Zellen wachsen zwar, jedoch ­lokal begrenzt und dringen nicht in umliegendes Gewebe ein.
 
Risikofaktoren
Bestimmte Risikofaktoren erhöhen die Gefahr einer Brustkrebserkrankung: Neben Alter, familiärer Vorbelastung, genetischer Faktoren, Schwangerschaft erst nach dem 30. Lebensjahr oder Kinderlosigkeit haben auch hormonelle Faktoren sowie Umwelt, Ernährung und Lebensstil (Bewegungsmangel, Rauchen ...) Einfluss auf die Entstehung. 
Den „Risikofaktor Vererbbarkeit“ betreffend: In einigen Familien tritt Brustkrebs/Eierstockkrebs/Darmkrebs gehäuft auf, jedoch sind nur ca. 5 Prozent aller Krebserkrankungen durch Veränderungen im menschlichen Erbgut bedingt.
Zusammenhang Pille und Krebs: Durch die Pilleneinnahme erhöht sich das Brustkrebsrisiko gering­fügig, es normalisiert sich aber ­innerhalb von 5–9 Jahren nach ­Beendigung der Einnahme.  
 
Prävention:
Unter Vorsorge werden Vorbeugung einer Krebsentwicklung (durch gesunde Lebensweise, siehe S. 22) sowie Früherkennungsmaßnahmen (Selbstuntersuchung, Tastuntersuchungen beim Gynäkologen, Mammografie) und auch Maßnahmen der Nachsorge verstanden.
 
 
Behandlungsoptionen bei Brustkrebs

Therapien im Überblick

Operativer Eingriff
95 Prozent aller Frauen mit Brustkrebs müssen an der Brust operiert werden. Die 
Größe des Tumors spielt bei der Wahl der  Operationstechnik  eine wesentliche Rolle. In rund 80 Prozent aller Fälle kann brusterhaltend operiert werden. Danach wird in der Regel eine Strahlentherapie empfohlen (s. u.). Eine medikamentöse Therapie hängt vom Befund ab. In bestimmten Fällen (wenn z. B. der Tumor zu groß ist) kann eine radikale Brustoperation (Ablatio oder radikale Mastektomie) nötig werden. 
 
Strahlentherapie 
Lokale Maßnahme Strahlentherapie wirkt lokal – also nur im Bereich des Bestrahlungsfeldes. Durch Bestrahlung der Tumorzelle wird die in ihrem Kern befindliche DNS so verändert, dass die Zelle ihre Teilungsfähigkeit verliert und abstirbt. Üblicherweise sind mehrere aufeinanderfolgende Bestrahlungen notwendig, damit sich das mitbestrahlte gesunde Gewebe erholen und seine Schäden reparieren kann. Krebszellen benötigen für die Reparatur länger, daher addieren sich die Strahlenschäden und führen schließlich zur Zerstörung des Tumors. Um gesunde Zellen zu schützen, wird versucht, mittels Strahlung möglichst nur den Tumor zu treffen. Das Ziel der Strahlentherapie der Brust oder Brustwand ist, das Wiederauftreten des Krebses zu verhindern, aber auch die Chance auf Langzeitheilung zu vergrößern. 
 
Medikamentöse Therapien
Mithilfe von Medikamenten sollen im gesamten Körper Tumorzellen – unter größtmöglicher Schonung der gesunden Zellen – am weiteren Wachstum gehindert und abgetötet werden. 
 
Chemotherapie: Krebszellen wachsen ­rascher als normale Zellen. Die meisten Chemotherapien greifen in erster Linie jene Tumorzellen an, die sich gerade teilen, und schädigen sie so, dass eine weitere Teilung nicht möglich ist (programmierter Zelltod). Da die Unterscheidung zwischen Krebszellen und normalen Zellen nicht so einfach ist, lässt sich eine Mitschädigung von gesundem Gewebe nicht vermeiden. Die Verabreichung erfolgt über Injektionen, Infusionen, einen unter die Haut implantierten Katheter oder in Tablettenform. Die Chemo kann vor (neoadjuvant – zur Verkleinerung des Tumors) oder nach einer OP (adjuvant – um winzige gestreute Krebsherde abzutöten) erfolgen.
 
Antihormontherapie: Bestimmte Tumoren, wie z. B. Brust- oder Prostatakrebs, können hormonabhängig wachsen. In diesen Fällen kann eine Antihormon­therapie (Hormonentzugstherapie) zur Wachstumshemmung eingesetzt werden. Bei der Antihormontherapie wird das im Organismus zirkulierende natürliche 
Hormon durch künstliche Anti-Östrogene (weiblich) oder Anti-Androgene (männlich) ausgeschaltet. Dieser Hormonentzug bringt die Krebszellen zum Absterben.
 
Zielgerichtete Therapien: Bei 12 bis 15 Prozent der Brustkrebserkrankungen wird ein spezielles Protein verstärkt an den Krebszellen ausgebildet. Daher empfangen sie vermehrt Signale, die in einem gesteigerten Wachstum resultieren. Eine Blockade des Proteins mit einem spezifischen Antikörper kann zur Störung der Signalübertragung und damit zu einer Wachstumshemmung der Krebszellen führen. 
 
Hoffnungsschimmer Immuntherapie 
Tuning der eigenen Abwehr. Kommt bereits beim Melanom und Lungenkrebs zum Einsatz. Das körpereigene Immun-system wird gezielt gegen den Tumor gerichtet. Tumorzellen werden enttarnt, damit Immunzellen sie erkennen, und Mechanismen, die zu einer Lähmung des Immunsystems führen, werden ausgeschaltet. Im Bereich der Brustkrebstherapie gab es (siehe Text: der Fall der Judy Perkins) eine erste Erfolgsmeldung. Die Forschung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. 

INTERVIEW MIT PROF. PAUL SEVELDA

Sevelda Paul
© Singer


Für Aufsehen und Jubelmeldungen sorgte heuer die Veröffentlichung der Krankheitsgeschichte der Judy Perkins. Sie litt an metastasiertem Brustkrebs. Dank der experimentellen Immuntherapie ist sie nun seit zweieinhalb Jahren krebsfrei. Wie lässt sich diese Sensation einordnen?

Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda: Brustkrebs ist nicht Brustkrebs. Diese wirklich sensationellen Erfolge, die man mit der Immuntherapie heute in Einzelfällen erleben darf, sind das Ergebnis langjähriger und sehr intensiver Forschungstätigkeit, wodurch Forscher immer besser die Mechanismen einzelner Tumore auf molekularbiologischer Ebene verstehen lernen. In diesem Fall wurden körpereigene Immunzellen aus dem Körper entnommen, speziell präpariert gegen eine Eiweißsubstanz, die dieser Tumor produziert, und wieder in den Körper injiziert. Jedoch ist es noch viel zu früh, von einer Behandlungsmöglichkeit zu sprechen, die von Brustkrebs betroffenen Frauen demnächst zur Verfügung stehen wird. Es wird Jahre dauern, bis man die Möglichkeiten hat, solche Therapien auf einer größeren Basis anbieten zu können. Ich würde daher zurückhaltend sein mit Jubelmeldungen. 
 
Die Brustkrebsforschung ist ein sich rasant entwickelnder Zweig. Welche neuen Ansätze sind besonders hervorzuheben? 
Prof. Sevelda: Große Fortschritte gibt es im Bereich der Antihormonellen Therapie. Durch eine neue Substanzgruppe (Anm.: CDK4/6 Inhibitoren) erzielen wir gerade beim fortgeschrittenen Brustkrebs sehr gute Erfolge – mit einer deutlichen Verlängerung des erkrankungsfreien Intervalls. Wir können den metastasierenden Brustkrebs nach wie vor nicht heilen. Aber wir erzielen oft erstaunlich lange beschwerdefreie Überlebenszeiten. Eine weitere wichtige Entwicklung sind die Gruppe der PARP-Inhibitoren. Das sind Substanzen, die wir einsetzen bei Frauen, die Mutationsträgerinnen sind. Auch dort hat sich herausgestellt, dass beim fortgeschrittenen Brustkrebs und beim Eierstockkrebs sehr gute Ergebnisse erzielt werden können. In der Therapie des genetisch bedingten Mammakarzinoms gibt es derzeit nur klinische Studien, an denen wir teilgenommen haben. 
 
Was macht diese Erfolge möglich?
Prof. Sevelda: Es gibt große Fortschritte im Verständnis der Biologie der einzelnen Tumorzellen. Es werden immer mehr ­Pathways (Anm.: Stoffwechselwege) ge­funden. Sie geben Aufschluss, wie es zum Wachstum oder zur Resistenzbildung der Tumorzelle kommt. Gegen diese Mechanismen werden immer mehr neue Medikamente entwickelt. Dadurch steigt die Zahl an Frauen, die wir langfristig heilen können. ­Zudem können wir immer mehr Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs länger ein qualitätsvolles Leben bieten. 
 
Sprechen Sie hier von Brustkrebs als ­chronische Erkrankung?
Prof. Sevelda: Beim Begriff „chronisch“ möchte ich vorsichtig sein. Wir erleben Frauen, die Jahre mit Knochenmetastasen sehr gut leben. Wir können metastasierenden Brustkrebs nicht heilen, sondern das ­Leben Betroffener verlängern – von früher Monaten zu Jahren. Aber nicht in allen Fällen.

Die zielgerichtete Therapie hat weniger Nebenwirkungen. Ist die gefürchtete ­Chemotherapie ein Auslaufmodell?
Prof. Sevelda: Im Aussterben ist sie nicht. Man muss ehrlich sagen, dass nicht ­alle Präzisionstherapien nebenwirkungsarm sind, sie können unter anderem Durchfälle auslösen. Richtig ist, dass der Anteil der Frauen, die mit altherkömmlicher Chemotherapie behandelt werden, geringer wird. Weil wir immer besser wissen, welche Frauen von einer Chemo profitieren. Waren es vor 20 Jahren 50–60 Prozent, sind es heute 20–25 Prozent. Die Chemotherapie wird nicht ersetzt durch die Präzisionstherapie, es  ist eine weiterführende Ergänzung. 
 
Wie gut sind Brustkrebspatientinnen in ­Österreich im Vergleich zu anderen Ländern betreut?
Prof. Sevelda: Der Standard ist in Österreich im internationalen Vergleich extrem hoch. 80–85 Prozent der Patientinnen werden in den zertifizierten Brustgesundheitszentren österreichweit behandelt. Das Niveau ist flächendeckend hoch. Wenn wir es schaffen, dass jede Frau mit Brustkrebs in so einem interdisziplinären Zentrum behandelt wird, ist die optimale Voraussetzung für die Therapie gegeben. 
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