Was jetzt wichtig ist

Diabetes in Coronazeiten

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Die Pandemie schärft unseren Blick auf chronische Erkrankungen. Eine solche, die in Österreich besonders stark verbreitet ist, ist Diabetes mellitus. Was Betroffene jetzt beachten sollten.

Menschen mit Diabetes sind in Österreich in sehr „guter“ Gesellschaft: Rund 600.000 leben hierzulande mit der Diagnose. (Der Großteil ist von Diabetes mellitus Typ 2 betroffen.) Die Dunkelziffer, also jene Diabetes-Erkrankungen, die noch nicht diagnostiziert wurden, wird mit 200.000 angenommen. Die Stoffwechselerkrankung liegt dann vor, wenn der Zuckerspiegel im Blut chronisch erhöht ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Hormon Insulin seine Arbeit nicht mehr ordnungsgemäß verrichtet: Bei stoffwechselgesunden Menschen wird zugeführte Glukose aus der Nahrung mithilfe der adäquaten Menge Insulin rasch aus dem Blut und in die Zellen befördert. Bei einer Diabetes-Erkrankung funktioniert dieser Glukose-Abtransport nicht wie vorgesehen und der Zucker verbleibt zu lange im Blutkreislauf: entweder deshalb, weil zu wenig Insulin vom Pankreas (Bauchspeicheldrüse) produziert wird, oder weil das ausgeschüttete Insulin aufgrund einer entwickelten Unempfindlichkeit („Insulinresistenz“) nicht oder nur in zu geringem Maße wirken kann. Auf lange Sicht überfordert der chronische Zuckerüberschuss im Blut die Bauchspeicheldrüse, bis sie schließlich ihre Funktion nach und nach einstellt. Insulin kann nicht mehr oder nur mehr unzureichend produziert werden und muss medikamentös ersetzt werden. Die Stoffwechselerkrankung kann eine große Bandbreite an gefährlichen Folgeerkrankungen nach sich ziehen und den Organismus schwer belasten – eine Tatsache, die im Rahmen der Coronavirus-Pandemie in den Fokus rückt.  
 
Wann besteht erhöhtes Risiko?
Die österreichische Covid-19-Risiko-gruppenverordnung ist lang. Sie beinhaltet neben etwa schweren Atemtrakt– und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch Diabetes mellitus. Doch die Dia­gnose Diabetes ist nicht der einzige Entscheidungsfaktor über das individuelle Risiko eines schweren Covid-19-Erkrankungsverlaufs. Deshalb ist eine klare Differenzierung notwendig, um das Risiko einzuschätzen: „Entscheidende treibende Faktoren für schwere Verläufe und eine erhöhte Sterblichkeit bei Diabetes sind das Alter (65+, Anm.), eingeschränkte Nierenfunktion, Herzschwäche, Gefäßerkrankungen (Verkalkung der Halsschlagader, Herzkranz- und Beingefäße, Anm.), Lebererkrankungen und Schlafapnoe-Syndrom“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Harald Sourij, Erster Sekretär der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), im gesund&fit-Interview. „Wenn diese Begleiterkrankungen vorhanden sind, steigt das Risiko deutlich an.“ Diese wichtigen Charakteristika kenne man dank mittlerweile zahlreicher internationaler Daten und Studien. Diabetes-Patientinnen und -Patienten, die das geringste Risiko aufweisen, seien jene „in jungem Alter ohne Organschäden“, ergänzt Prof. Sourij. Entscheidend ist in jedem Fall, dass die Erkrankung gut kontrolliert und adäquat therapiert wird. Deutlich erhöhte Blutzuckerwerte scheinen die Immunabwehr zu schwächen. Dies ist häufig dann der Fall, wenn der Diabetes nicht richtig eingestellt oder noch nicht dia­gnostiziert wurde. 
 
Auch Prädiabetes gefährlich
Erhöhte Gefahr gilt auch, wenn die (häufig unerkannte) Vorstufe von Diabetes,   Prädiabetes, vorliegt. „Denn bereits der Prädiabetes geht mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko einher“, so Prof. Sourij. „Oft bestehen bereits Begleiterkrankungen. Fünf bis sechs Prozent der Erwachsenen in unseren Breiten haben einen Prädiabetes.“ Die Tendenz ist steigend. Selbiges besorgniserregendes Phänomen ist auch bei den manifesten Diabetes-Erkrankungen zu beobachten – und die Betroffenen werden immer jünger: „Das Alter der Diabetes-Erkrankten sinkt“, weiß Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser, Präsidentin der ÖDG. „Aus den USA wissen wir, dass schon viele Kinder von Typ-2-Diabetes betroffen sind. Das sehen wir in Österreich zwar noch nicht massiv, aber einzelne Kinder und sehr viele junge Erwachsene haben hierzulande bereits Typ-2-Diabetes. Das ist natürlich sehr problematisch, weil dann das Krankheitsleben – das zwar hoffentlich ein sehr langes wird – ein sehr hohes Risiko für Komplikationen birgt.“ Begünstigt wird das frühe Auftreten der Erkrankung durch ungünstigen Lebensstil. Dazu kommt ein beträchtliches Erbrisiko: „Diabetes hat einen sehr hohen erblichen Hintergrund – aber dieses Risiko kann natürlich erhöht oder gesenkt werden“, mahnt Univ.-Prof. Kaser. „Es erhöht sich bei Übergewicht, bei falscher Ernährung – etwa zu hochkalorisch, zu viele gesättigte Fette, zu viele Einfachzucker – und bei zu wenig Bewegung.“ Ein weiterer, Diabetes begünstigender Faktor sei Nikotin. Bei der frühen Diagnose von Diabetes wie auch von Prädiabetes sei neben dem Nüchternzuckerwert im Blut auch der HbA1c-Wert, der so genannte „Langzeitzucker“, ein besonders wichtiges Kriterium. 
 
ÖDG drängt auf rasche Impfung für Menschen mit Diabetes
Die Impfempfehlung gilt nach aktuellem Stand für Menschen mit Diabetes in gleichem Maße wie für die österreichische Gesamtbevölkerung. Die bisher in der EU zugelassenen Impfstoffe werden von Menschen mit Diabetes bisher genauso gut vertragen und entfalten die gleichhohe Schutzwirkung wie bei Nicht-Diabetikern. Allerdings bestünde bei vielen Menschen mit Diabetes erhöhte Impfdringlichkeit, wie die ÖDG einmahnt: „Es geht darum, jetzt effektiv zu impfen und jene Personen mit höchstem Risiko zuerst“, appellierte Univ.-Prof. Kaser kürzlich gegenüber der APA, denn: Viele Menschen mit Diabetes würden der Risikogruppe angehören. Ältere Patienten und solche mit zusätzlichen Begleiterkrankungen wie etwa im Bereich Herz-Kreislauf, Nieren oder Lungen hätten bei Covid-19 ein „extrem hohes Risiko für einen schweren Verlauf“, wie Prof. Kaser erklärte. Die Zahlen unterstreichen dies: Laut einer Innsbrucker Studie hatten über 50 Prozent der intensivmedizinisch versorgten Covid-19-Patientinnen und -Patienten eine Diabetes-Erkrankung. Zudem hätten Betroffene ab 70 Jahren eine deutlich erhöhte Sterblichkeit. Die ÖDG-Präsidentin, die auch stellvertretende Direktorin der Universitätsklinik Innere Medizin I Innsbruck ist, gibt außerdem zu bedenken, dass eine rasche Impfung dieser Menschen die Spitals­kapazitäten entlasten könne: Diabetes-Patienten seien diejenigen, die aufgrund des erhöhten Risikos besonders häufig stationäre Betreuung benötigen würden.
 

❯❯ Risikofaktoren für Diabetes

✏ Erbliches Risiko
Vererbung fällt bei Diabetes Typ 2 besonders stark ins Gewicht. Das Risiko kann durch eigenes Tun jedoch gesenkt werden. 
 
✏ Übergewicht
Das Erreichen des Normal­gewichts ist entscheidend.
 
✏ Ungünstige Ernährung
Zu viele Kalorien, zu viele gesättigte Fette, zu große Mengen Einfachzucker und zu wenig Ballaststoffe fördern Diabetes. 
 
✏ Wenig Bewegung, Rauch
„Couch Potatoes“ und Raucher haben ein erhöhtes Risiko.
 
✏ Prädiabetes und Schwangerschaftsdiabetes
Die Diabetes-Vorstufe bescheinigt ein extrem hohes Risiko für einen bald manifesten Diabetes, ebenso ist Schwangerschafts­diabetes ein Vorbote.
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