Covid-19

Corona-Impfung: Die wahren Hoffnungsträger

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Russland prescht bei der Zulassung eines Covid-19-Impfstoffs weltweit vor. Von vielen Seiten hagelt es aber Kritik. Virologe Dr. Christoph Steininger über den neuen russischen Impfstoff „Sputnik V“ und die wahren Hoffnungsträger.

Geht es nach Russlands Präsidenten Wladimir Putin, hat das Warten auf den ersten Corona-Impfstoff ein Ende. Denn Russland hat nach den Worten des Kremlchefs als erstes Land der Welt eine Impfung gegen das Coronavirus entwickelt. Diese sei vor knapp zwei Wochen in Russland zugelassen worden. „Ich weiß, dass sie wirksam ist, dass sie dauerhafte Immunität gibt“, so Putin bei der Verkündung im russischen Fernsehen. Doch Virologen aus aller Welt kritisieren, dass die Zulassung offenbar ohne große Wirksamkeitsprüfung (Phase III) an Tausenden Probanden erfolgt sei, die auch ausreichend Auskunft über auftretende Nebenwirkungen geben würde (siehe Interview S. unten).

Erste Impfung mit Namen „Sputnik V“
Der russische Impfstoff mit dem Namen Sputnik V“ (Anm.: Sputnik hieß der erste Satellit, mit dem die damalige Sowjetunion die USA im Rennen ums All gedemütigt hatte) wurde am Gamaleja-Institut für Epidemiologie in Moskau gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium entwickelt. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Vektor-Impfstoff – das bedeutet, er stützt sich auf ein für den Menschen ungefährliches Virus, das dann so verändert wird, dass es ­eine Infektion mit dem Coronavirus verhindert. Als Vektorvirus genutzt wird das Adenovirus, mit dem auch die Universität von Oxford arbeitet.

Laut russischem Gesundheitsministerium sorgt die zweimalige Impfung für eine Immunität von „bis zu zwei Jahren“. Die Impfung soll ab 1. Jänner in Umlauf gebracht werden. Bisher sei „Sputnik V“ erst bei weniger als hundert Probanden erprobt worden – darunter eine von Putins Töchtern. Sie habe eine leicht erhöhte Temperatur entwickelt, „das war alles“, so Putin. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kündigte an, alle Daten über die „Sicherheit und Wirksamkeit“ des russischen Impfstoffs genau zu überprüfen, bevor sie grünes Licht geben werde. Der österreichische Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erteilte dem russischen Impfstoff eine klare Absage: „Für die EU und damit für Österreich kommt ein nicht ausreichend erprobter Impfstoff nicht infrage“, versicherte Anschober.

Oxford’scher Impfstoff gilt als großer Hoffnungsträger
Mit einem nach europäischen Kriterien zugelassenen CoV-Impfstoff ist, wie der Virologe der Medizinischen Universität Wien, Prof. Christoph Steininger im Interview mit gesund & fit erklärt, nicht vor nächstem Jahr zu rechnen. Führend sei hier etwa eine Kooperation des britisch-schwedische Pharmakonzerns Astra-Zeneca mit der britischen Oxford-Universität. Dort wurde gemeinsam ein Impfstoff entwickelt, der als großer Hoffnungsträger gilt: Es handelt sich auch hierbei um einen Vektorviren-Impfstoff namens „ChAdOx1 nCoV-19“. Der Impfstoff basiert auf bestimmten manipulierten Viren, die eigentlich bei Affen vorkommen. Das Mittel wirkt gleich zweifach: Es fördert sowohl die Bildung von spezifischen Antikörpern als auch jene von T-Zellen – beide sind für die Immunabwehr wichtig. Erste Ergebnisse der Phase-I/II-Studie gelten bei Versuchen mit über 1.000 gesunden Probanden als erfolgreich und vielversprechend. Noch 56 Tage nach Verabreichung der Impfdosis konnte eine deutliche Immunantwort gezeigt werden. Sie könnte durch eine eventuell zweite Dosis verlängert werden, heißt es in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet. Dennoch sei noch nicht geklärt, ob der Oxford’sche Impfstoff ausreichend Schutz biete. Darüber soll die bereits angelaufene dritte klinische Phase Aufschluss geben: In Brasilien wird der Impfstoff aktuell an Tausenden Freiwilligen getestet. Das Vakzin löste den Wissenschaftern zufolge Nebenwirkungen wie ­Erschöpfung und Kopfschmerzen aus, aber nichts Ernstes – so der aktuelle Wissensstand. Großbritannien soll bereits 100 Millionen Impfstoffdosen bestellt haben.

Auch RNA-Impfstoff in Startlöchern
Neben dem Oxford-Impfstoff gehen auch einige andere Kandidaten ins Rennen: Der chinesische Impfstoffspezialist Cansino Biologics hat laut der staatlichen Zeitung „People’s Daily“ kürzlich die Patentzulassung der chinesischen Behörden für seinen Corona-Impfstoffkandidaten Ad5-nCOV erhalten. Auch die Partnerunternehmen ­Biontech und Pfizer lassen aufhorchen: Ihr neuartiger RNA-Impfstoff wird ebenfalls als vielversprechender Anwärter gehandelt. Durch die besondere Methode (siehe Infokasten links) ergibt sich der Vorteil der schnelleren Herstellbarkeit, da ein RNA-Impfstoff „nur“ den Bauplan bestimmter Virus-Proteine enthält.

Immunisierung?

Im Zuge der Forschungen müssen bisher ­angenommene Thesen auch immer wieder korrigiert werden. So aktuell im Hinblick auf die Immunisierung nach einer SARS-CoV-2-Infektion: Ursprünglich hatte man angenommen, dass die Immunantwort die Bildung von Antikörpern zur Folge hat, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass zumindest für einige Zeit eine Immunität besteht. Tatsächlich konnten Wissenschafter jetzt nachweisen, dass die besagten Antikörper in vielen Fällen nur wenige Wochen im Blut verbleiben und so nur kurz vor einer weiteren Ansteckung schützen können. Besonders bei milden oder symptomfreien Ver­läufen zeige sich, dass eine mitunter nur schwache Immunantwort stattfindet.

Impfstoff mit Langzeitwirkung?

Eines schicken Wissenschaftern voraus: Es muss davon ausgegangen werden, dass eine Impfung, sobald sie für alle zugänglich ist, vermutlich wiederholt werden muss. „Die einzige Illusion, die man nehmen muss, ist, dass eine Impfung gegen Covid-19 ein Leben lang hält“, erklärte auch Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing, ­gegenüber der APA. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass Impfungen nicht jahrelang halten, sondern regelmäßig aufgefrischt werden müssen.“ Wahrscheinlich werde ein mehrfaches Impfen nötig sein. „Es könnte auch bei einem Covid-19-Impfstoff sein, dass man, wie bei der Influenza-Schutzimpfung, regelmäßig wieder geimpft werden muss.“

Virologe Assoc.-Prof. Dr. med. Christoph Steininger im Interview

Hoffnungsträger

Mit einem nach europäischen Kriterien zugelassenen CoV-Impfstoff ist, wie der Virologe der Medizinischen Universität Wien, Prof. Christoph Steininger, im gesund&fit-Gespräch erklärt, nicht vor nächstem Jahr zu rechnen. Führend sind hier etwa der britisch-schwedische Pharmakonzern Astra-Zeneca und die britische Universität Oxford.


Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Russland nun den ersten Impfstoff zugelassen hat?
Prof. Christoph Steininger:
Wir ­haben diesbezüglich noch keine Daten. ­Tatsache ist, dass wir hier in Europa strenge Auflagen für die Zulassung eines Impfstoffs haben. Das braucht Zeit. Man kann davon ausgehen, dass Russland nicht dieselben Qualitätskriterien angewendet hat.


Wo liegen die Gefahren?
Prof. Steininger:
Die ­Einführung des Impfstoffs in den Massenmarkt kann bei zu wenig Tests gut gehen, oder aber nicht. Treten schwere ­Nebenwirkungen auf, steigt die generelle Impfskepsis.


Putin dürfte sich der Sache sehr sicher sein. Immerhin hat er den Impfstoff auch an seiner Tochter testen lassen.
Prof. Steininger:
Putin dürfte Daten haben, die ihn überzeugen. Russland hat auch bekannt gegeben, dass der Impfstoff an Soldaten getestet wurde. Auch das ist etwas, was es bei uns nie geben dürfte, weil dadurch nicht die Voraussetzung der Freiwilligkeit erfüllt wird.

Wie lange dauert es noch mit unseren strengen Zulassungskriterien, bis ein Impfstoff zugelassen wird?
Prof. Steininger:
Das wird mit Sicherheit nicht vor dem nächsten Jahr der Fall sein.
 

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