Experten-Talk

Corona: Das können die neuen Medikamente

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Trendwende? Die EMA prüft derzeit die Zulassung von neuen Covid-19-Medikamenten, die als Ergänzung zur Impfung dienen könnten. Alle Fakten dazu erfahren Sie hier vom Infektiologen. 

Seit Ausbruch der Pandemie arbeiten Forscher:innen auf der ganzen Welt mit Hochdruck an vorbeugenden und therapeutischen Maßnahmen gegen Sars-CoV-2. Mittlerweile gibt es mehrere wirksame präventive Impfstoffe, doch geeignete Therapeutika waren bisher Mangelware.

Wichtig: Kein Ersatz!
Die neuen Corona-Medikamente, die bald zugelassen werden, können die Impfung keinesfalls ersetzen! für chronisch Kranke und Risikopatienten sind sie aber hilfreich!   


Möglicherweise Gamechanger.
Sehr hoffnungsfroh stimmen aber die neuen Coronamedikamente, die derzeit von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) geprüft werden, so Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein in einer Pressekonferenz. Es handelt sich konkret um die Pille Molnupiravir des US-Pharmakonzerns Merck Sharp & Dohme (MSD) und um das Coronamittel des US-Pharmakonzerns Pfizer PF-73321331/Ritonavir, die unter anderen antiviralen Medikamenten in Zulassung stehen.

Vorbereitungen. Großbritannien hatte das orale Therapeutikum von MSD bereits Anfang November als erstes Land weltweit zugelassen. Nun hat auch ein Beratergremium der US-Arzneimittelbehörde FDA eine Notfallzulassung für das Merck-Corona-Mittel empfohlen. Man rechnet damit, dass die Zulassung binnen weniger Tage in den Vereinigten Staaten erfolgen wird. In Österreich habe man laut Gesundheitsminister Mückstein bereits ein Budget von 50 Millionen Euro für die Beschaffung der Pillen vorgesehen (Anmerkung: Von Molnupiravir von Merck & Co wolle man insgesamt 80.000 Therapiezyklen zu je 612 Euro beschaffen, von PF-73321331/Ritonavir von Pfizer 270.000 Zyklen – momentan gibt es aber noch keinen Preis für die Pfizerpille). Anfang kommenden Jahres soll die Bestellung eintreffen.

Ergänzung – kein Ersatz! Die Therapeutika können den Kampf gegen Covid-19 komplementieren und möglicherweise die Kliniken entlasten, seien aber keinesfalls ein Ersatz für die Vakzine, betont die Europäische Arzneimittel-Agentur in einer Pressekonferenz. Impfungen seien die effizientesten Instrumente, die der Medizin zur Vermeidung der Infektion zur Verfügung stehen. Allein in Europa seien der Weltgesundheitsbehörde (WHO) zufolge bereits 500.000 Menschen durch Covid-19-Vakzinationen gerettet worden, weil die Patient:innen dadurch vor schweren und mitunter tödlichen Krankheitsverläufen geschützt werden konnten.

Einfache Handhabung.
Die in Zulassung stehenden Pillen haben den großen Vorteil, dass sie einfach oral und zu Hause eingenommen werden können. Die Covid-19-Therapeutika, die man momentan nutzt, müssen aber als intravenöse Infusion und damit im Spital eingesetzt werden (Anm.: wie zum Beispiel monoklonale Antikörper: Proteine des Immunsystems, die biotechnologisch nachgebildet wurden, um an bestimmte Oberflächenstrukturen des Coronavirus anzudocken).


Wichtige Fragen. Es stellt sich nun die Frage, wie wirksam die beiden Coronatherapeutika tatsächlich sind, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur geprüft werden. Die Zahlen zu Molnupiravir wurden zuletzt nach ­unten korrigiert. Außerdem ist es wissenswert, was man bei der Einnahme beachten muss, für wen die Mittel geeignet sind und ob noch andere erwähnenswerte Hoffnungsträger existieren.


gesund&fit-Experteninterview. Der Wiener Infektiologe Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer hat all diese Fragen beantwortet.

Wie wirksam ist Molnupiravir?
Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer:
Die Zwischenauswertung ergab eine fünfzigprozentige relative Risikoreduktion, sodass die externe Datenkontrolle einen vorzeitigen Abbruch der Studie verlangte. Die endgültige Datenauswertung ergab immer noch eine signifikante dreißigprozentige ­relative Risikoreduktion. Allerdings müssen jetzt etwa 30 Patient:innen mit Molnupiravir behandelt werden. Damit die 31. Person einen Benefit hat, das heißt, die number to treat (Anm.: NNT auf Deutsch: Anzahl der notwendigen Behandlungen) ist 30. Viele andere Medikamente, die wir tagtäglich einsetzen haben eine deutlich höhere NNT.

Für wen sind Molnupiravir und PF-73321331/Ritonavir geeignet?
Prof. Thalhammer:
Sie sind für alle Sars-CoV-2-Patient:innen mit einem (höheren) Erkrankungsrisiko geeignet, außer für schwangere Frauen und Kinder bis zum 18. Lebensjahr. Primär sind die Medikamente als Postexpositionsprophylaxe von leider ungeimpften als auch geimpften Personen geeignet. Letztere Personengruppe wird sich wahrscheinlich auf Risikopatient:innen einpendeln. Jedoch können Mol­nupiravir oder PF-73321331/Ritonavir (Anm.: siehe auch Infokasten) sowie die nun zur Verfügung stehenden monoklonalen Antikörper eine Covid-19-Schutzimpfung nicht ersetzen – das ist ganz wichtig.

Wann beginnt man mit der Einnahme bzw. wann wird die Tablette verabreicht?
Prof. Thalhammer:
Wie bei Influenzaviren müssen auch bei Sars-CoV-2 beide genannten Substanzgruppen frühzeitig zur Anwendung kommen. Im Idealfall am selben Tag, wenn man von seinem positiven PCR-Test erfährt. Hier sind natürlich von der Verteilung her Tabletten im Vergleich zu einer ­Infusion im Vorteil, dafür haben die monoklonalen Antikörper eine etwas bessere Wirkung. Jedenfalls kann Zeit Leben sein.

Wie lang dauert die Therapie mit den beiden Medikamenten?
Prof. Thalhammer:
Beide oralen Substanzen, also Molnupiravir als auch PF-7321331/Ritonavir, werden über fünf Tage verabreicht.

Wie wirkt Molnupiravir?
Prof. Thalhammer:
Molnupiravir wird in das virale Genom (Anmerkung: das Erbgut) eingebaut und verändert dort die virale RNA-Polymerase (Anerkung: „virale Kopiermaschine“): Auf gut Wienerisch, es entsteht ein Kauderwelsch, ein Aminosäurenbuchstabensalat. Das Virus kann sich nicht mehr vermehren und aus. Weitere Studien haben gezeigt, dass am dritten Therapietag nur noch fünf von 100 Patient:innen ein vermehrungsfähiges, ansteckendes Virus ausscheiden, an Tag fünf keine mehr. Damit kann Molnupiravir auch Einfluss auf die Epidemie und Absonderungsweise in der Pandemie haben.


Welche Neben- und Wechselwirkungen sind zu erwarten?
Prof. Thalhammer:
Molnupiravir ist gut verträglich. Es gibt nicht mehr unerwünschte Ereignisse als in der Placebogruppe. Bei PF-7321331/Ritonavir wird vor der Verschreibung dieses Medikamentes eine Überprüfung auf Wechselwirkung mit anderen Medikamenten, welche Patient:innen u. U. täglich einnehmen, erforderlich sein.

Werden die neuen Therapeutika auch gegen die Variante Omikron wirken?
Prof. Thalhammer
: Aufgrund des Wirkprinzips könnte auch die Aktivität gegen Omikron gegeben sein.


Welche anderen Coronamedikamente wird es noch in Zukunft geben, die als Hoffnungsträger gelten?
Prof. Thalhammer
: Neben dem schon erwähnten PF-7321331/Ritonavir haben wir schon monoklonale Antikörper wie Regdanvimab, Sotrobimab oder Casirivimab/Imdevimab in Verwendung. Demnächst erwarten wir auch einen weiteren monoklonalen Antikörper, Tixagevimab/Cilgavimab. Dieser ist für Patient:innen gedacht, bei denen die Coronaimpfung aufgrund ihrer Immunsuppression, zum Beispiel hämatologische oder organtransplantierte Patient:innen, als Prophylaxe vor Sars-CoV-2 infundiert (Anmerkung: per Infusion gegeben) werden kann. Aber ich betone nochmals: Alle hier aufgezählten Optionen ersetzen nicht die eine Grundimmunisierung bestehend aus drei Teilimpfungen! Impfdosen haben wir genug für alle Österreicher:innen, die Tabletten beziehungsweise Infusionen sind hingegen nur beschränkt verfügbar und daher primär für Risikopatient:innen gedacht.

 

So wirken Molnupiravir und PF-73321331/Ritonavir  
 

Molnupiravir
Orales Therapeutikum.
Molnupiravir von Merck & Co (MSD) bewirkt eine virale Fehlerkatastrophe und führt dadurch zu einer Anhäufung von Defekten in der viralen RNA. Die Einnahme erfolgt oral zweimal täglich und unabhängig von der Ernährungsaufnahme. Dadurch wird die Vermehrung von Sars-CoV-2 gehemmt. Nach bisherigen Studienauswertungen tritt bei Gabe von Molnupiravir bereits nach drei Tagen Therapie eine starke Verminderung der Anzahl an Patienten auf, bei denen noch infektiöses Virus nachgewiesen werden kann (lt. bisherigen Studien nur noch bei 1,9 % nachweisbar). An Tag fünf war kein infektiöses Virus (lt. bisherigen Studien 0 %) mehr nachweisbar. Sollte – je nach Zulassung – so schnell wie möglich nach einem positiven PCR-Test eingenommen werden, innerhalb von fünf Tagen ab Symptombeginn. Mit dieser frühzeitigen Gabe kann das Risiko auf eine Hospitalisierung entscheidend
reduziert werden.

PF-73321331/Ritonavir
Wirkansatz von Pfizers Medikament (Protease-Inhibitoren):
Wenn Coronaviren menschliche Zellen infizieren, bringen sie die Zellen dazu, lange Proteinketten herzustellen, die das „Baumaterial“ für die Produktion neuer Viren sind. Allerdings müssen diese langen Ketten zunächst in einzelne Bausteine zerlegt werden. Als Werkzeug hierfür dienen bestimmte Enzyme der Sars-CoV2-Viren, die sog. viralen 3CL-Proteasen. Diese Enzyme zerschneiden die langen Ketten an bestimmten Stellen, erst danach können neue Viren zusammengebaut werden. Ein Wirkstoff, der diese Proteasen gezielt blockiert, verhindert die Bereitstellung der Bausteine und das Virus kann sich nicht vermehren. Das Mittel sollte möglichst früh im Erkrankungsverlauf eingenommen werden, da bereits im Körper vorhandene Viren nicht mehr unschädlich gemacht werden können. Solche Medikamente sollten auch Personen verabreicht werden, die engen Kontakt mit einer an Covid-19 erkrankten Person hatten. Hier wäre das Ziel eine Prophylaxe, die Verhinderung der Infektion.  


 

  

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