Medizin

Beinverlängerung mit Fernsteuerung

31.03.2017

Ungleich lange Beine – angeboren oder durch Verletzung – lassen sich mithilfe eines implantierten Nagels verlängern. Die Steuerung übernimmt der Patient mittels Fernbedienung.

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Kein Mensch ist völlig symmetrisch und so bestehen häufig Längenunterschiede zwischen rechtem und linkem Bein. Eine zu große Differenz kann zu Fehlhaltung, schiefer Wirbelsäule und schmerzenden Gelenken führen. Beinlängenunterschiede können angeboren sein oder als Folge von Unfällen und Verletzungen auftreten. So wie bei Susanne F. Nach einem Schenkelhalsbruch durch einen Radunfall war ihr linkes Bein um zwei Zentimeter kürzer. „Ich ging unrund, bekam Kreuz- und Knieschmerzen“, schildert die 47-Jährige ihre Gründe für eine Knochenverlängerung. Dabei wird das verkürzte Bein mithilfe eines implantierten Teleskopnagels um die fehlenden Zentimeter verlängert.   

Moderne Knochenverlängerung

Die Experten für Knochenverlängerungen im Orthopädischen Spital Speising, Prim. Doz. Dr. Rudolf Ganger und OA Priv.-Doz. Dr. Christof Radler, verwenden ein ganz neues System, das nur in wenigen Zentren in Europa angeboten wird. Den Patienten wird ein verlängerbarer Marknagel implantiert, dessen Steuerung diese von außen über ein Magnetsystem selbst übernehmen. „In dem Nagel ist ein kleiner ­Magnet eingebaut, der um eine Achse rotieren kann“, erklärt Dr. Ganger. Durch die Rotation wird ein Spindelgetriebe in Gang gesetzt und der Marknagel um ein genau definiertes Ausmaß verlängert.

Ablauf der Behandlung

In einer rund eineinhalbstündigen Operation durchtrennt der Chirurg über einen kleinen, etwa einen Zentimeter langen  Schnitt den verkürzten Knochen – im Falle von Susanne F. den Oberschenkelknochen  – an einer bestimmten Stelle. Dann wird der Teleskopnagel oberhalb des Hüftgelenks in den Markraum des Oberschenkelknochens eingebracht und am oberen und unteren Ende fixiert. Nach einer Woche beginnt die Patientin mithilfe der Fernsteuerung – diese wird an einer markierten Stelle, genau oberhalb des im Nagel befindlichen Magneten, von außen auf den Oberschenkel aufgesetzt – mit der Verlängerung. Einen Millimeter pro Tag, aufgeteilt auf drei Einzelschritte, wird der Oberschenkelknochen langsam auseinander­gedehnt. Die Verlängerungsgeschwindigkeit kann je nach Bedarf am Steuergerät individuell eingestellt werden.

Neuer Knochen entsteht

„Nach der Knochendurchtrennung entsteht dort ein ganz weicher, junger Knochen“, erklärt Dr. Ganger, „den wir dann wie einen Kaugummi auseinanderziehen.“  Eine wöchentliche Kontrolle der Verlängerung sowie des Zustandes des neu gebildeten Knochens gewährleistet ein optimales Ergebnis. Die Behandlung ist nahezu schmerzlos, wie die Patientin bestätigt. „Ich hab es nur im Muskel gespürt, solange ich gedehnt habe“, erzählt Susanne F. Nach 20 Tagen ist das Verlängerungsziel von zwei Zentimetern erreicht. Physiotherapie und Muskelmassagen waren für Susanne ein wichtiger Teil der Therapie. Rund zwei Monate – abhängig von biologischen Faktoren – benötigt der Knochen, um die entsprechende Stabilität zu erreichen. In dieser Zeit darf die Patientin das Bein unter Zuhilfenahme von Krücken nur teilbelasten.  Dann ist der Knochen so fest wie vorher und der Nagel wird entfernt.

Grenzen der Verlängerung

Beinverlängerungen mittels Marknagel stoßen auch an ihre Grenzen. Neben schlechter Knochendichte und Knochenqualität sind komplexe Deformitäten und ein junges Alter Gründe, die gegen diese Methode sprechen. „Bei Kindern können wir die Verlängerung mit dem Marknagel nicht machen, solange die Wachstumsfuge geöffnet ist“, erklärt Dr. Christof Radler, Spezialist für Kinder- und Jugendorthopädie. „Vor allem bei kindlichen Verlängerungen am Unterschenkel ist der externe Fixateur daher das Mittel der Wahl.“ Dabei umgibt ein Metallgestell das Bein von außen wie eine Art Käfig und wird mit Drähten und Nägeln am Knochen fixiert. Die Verlängerung erfolgt mittlerweile computergesteuert. Generell ist eine Knochendehnung bis fünf Zentimeter möglich. Danach steigt das Komplikationsrisiko, wie die Experten betonen. Um die Gelenke nicht zu schädigen, wäre bei größeren Differenzen eine zweite Behandlung der bessere Weg.

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