Forschung

Auslöser für Guillain-Barre-Syndrom entschlüsselt

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Antikörper greifen Nervenstruktur an

Forscher der Universität Zürich haben entdeckt, auf welche Weise ein Atemwegsbakterium das lebensbedrohliche Guillain-Barre-Syndrom (GBS) verursacht. Diese Nervenkrankheit führt zu Empfindungsstörungen und Lähmungen.

Antikörper als Auslöser

Das Bakterium Mycoplasma pneumoniae, das häufig Lungenentzündungen verursacht, stand schon länger im Verdacht, mit dem GBS zusammenzuhängen, wie die Universität Zürich am Montag mitteilte. Der Nachweis des Zusammenhangs gelang nun einem Forscherteam der Uni und des Kinderspitals Zürich mit Kollegen der Erasmus Universität Rotterdam.

Die Wissenschafter um Studienautor Patrick Meyer Sauteur fanden den Beweis, dass bei GBS-Patienten Antikörper, die sich gegen das Bakterium richten, auch die Nervenstruktur angreifen. Beim GBS handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet.

Weil Strukturen an der Oberfläche von Mycoplasma pneumoniae stark der Schutzschicht um die Nervenbahnen (die sogenannte Myelinschicht) ähneln, richten sich bei GBS-Patienten Antikörper gegen das Bakterium auch gegen diese Schutzschicht und zerstören sie. Da die Myelinschicht die elektrische Leitfähigkeit der Nervenfasern sichert, kommt es durch ihren Verlust zu Lähmungen, Schwäche und Empfindungsstörungen.

Antikörper-Nachweis

Es handle sich um Antikörper, die ein bestimmtes bakterielles Glykolipid erkennen: ein Zucker-Fett-Molekül, das auf der Zellmembran der Erreger sitze, erklärte Meyer Sauteur laut einer Mitteilung der Uni Zürich. "Diese Antikörper binden gleichzeitig an Galactocerebrosid (GalC), einer der häufigsten Bausteine im menschlichen Myelin."

Das GBS ist eine relativ seltene Krankheit, mit ein bis zwei Fällen je 100.000 Personen pro Jahr. Insgesamt analysierten die Wissenschafter Proben, die über 20 Jahre hinweg bei 189 Erwachsenen und 23 Kindern mit GBS gesammelt worden waren. Anhand der Proben untersuchten sie, ob sie Antikörper gegen das Mycoplasma-Bakterium - als Hinweis auf eine frühere Infektion - und gegen GalC - als vermuteter Auslöser des Syndroms - besaßen. Zum Vergleich untersuchten sie eine Kontrollgruppe von 677 gesunden Personen.

Bei drei Prozent der Erwachsenen und 21 Prozent der Kinder ließ sich eine kürzliche Infektion mit den Bakterien nachweisen, häufiger als bei den Gesunden. Gleich häufig fanden die Forscher Antikörper gegen GalC, wie sie kürzlich im Fachjournal "Annals of Neurology" berichteten.

Der viel höhere Anteil bei Kindern liege daran, dass Mycoplasma-Infektionen generell sehr viel seltener bei Erwachsenen als bei Kindern auftreten, erklärte Meyer Sauteur. Außerdem seien die Antikörper hauptsächlich in der Akutphase der Erkrankung nachweisbar, bald danach verschwinden sie aus dem Blut. Auch dieses kurze Zeitfenster erklärt den geringen Prozentsatz, bei dem die Forscher fündig wurden.

Verschiedene Antikörper-Typen

"Bedeutend ist aber der hohe Anteil der Kinder, bei denen wir die Antikörper gefunden haben", betonte Meyer Sauteur. Neben Mycoplasma pneumonii stehen auch zahlreiche andere Infektionskrankheiten im Verdacht, GBS zu verursachen. Dass aber rund ein Viertel der untersuchten Kinder diese speziellen Antikörper aufwies, spricht für eine bedeutende Rolle des Mycoplasma-Baktierums als Auslöser der Nervenkrankheit.

Auch in der Kontrollgruppe stießen die Wissenschafter auf die beiden Antikörper nach einer kürzlichen Mycoplasma-Infektion, allerdings litten die besagten Personen nicht an der gefährlichen Nervenkrankheit. Der Grund dafür sei vermutlich, dass es sich bei diesen Personen um einen Antikörper eines anderen Typs handelt als bei GBS-Patienten. "Wir vermuten daher, dass dieser Wechsel des Antikörper-Typs für die Entstehung von GBS mitverantwortlich ist", sagte Meyer Sauteur. Daraus könnte sich ein neuer Ansatz ergeben, um GBS wirksam zu behandeln.

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