Bei Kindern nicht unbedingt sofort operieren

Umdenken: OP bei Blinddarmentzündung

Teilen

Antibiotikatherapie kann Akutchirurgie vermeiden und Operation sicherer machen - Aber bei 40 Prozent muss trotzdem ein Eingriff erfolgen.

Bei einer Blinddarmentzündung bei Kindern wird nicht mehr automatisch operiert. Sofortige Eingriffe seien oft nicht nötig, Kinder könnten zunächst mit Antibiotika behandelt werden, teilte die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) am Mittwoch mit. Die deutsche Chirurgie erwartet ein massives Personalproblem: Ein Drittel bis die Hälfte der Chirurgen erreicht bis 2020 das Pensionsalter.

Die Medikamente sollen helfen, schwere Komplikationen zu vermeiden, eine OP sicherer zu machen oder eventuell sogar zu verhindern, erklärte DGCH-Präsident Jörg Fuchs. Eingriffe wegen Blinddarmentzündungen, sogenannte Appendektomien, gehören zu den häufigsten OPs überhaupt. Etwa zehn Prozent der Menschen haben eine derartige Operation.

Noch bis vor wenigen Jahren drängten Ärzte schon beim Verdacht auf Blinddarmentzündung auf einen schnellen Eingriff - aus Angst vor einem Blinddarmdurchbruch. Dieser ist lebensgefährlich. Allerdings gab es darunter auch unnötige OPs, in denen sich der Blinddarm als gar nicht entzündet herausstellte.

Umdenken

Vor allem eine schwedische Studie vor zwei Jahren brachte nun ein Umdenken in Gang: Sie habe gezeigt, dass es offensichtlich möglich ist, Blinddarmentzündungen bei Kindern nur mit Antibiotika - die seit Langem ohnehin begleitend zur OP gegeben werden - sicher zu behandeln, erklärte Bernd Tillig von der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Folgestudien würden von Fachleuten diskutiert.

Bei erfolgreicher Behandlung bleiben Kindern die Narkose und der Eingriff erspart. Die Misserfolgsrate sei mit bis zu 40 Prozent allerdings relativ hoch, schilderte Tillig. In dem Fall müssten Kinder nach einigen Tagen dann doch noch operiert werden. Und selbst wenn junge Patienten "geheilt" entlassen werden, könnten neuerliche Entzündungen folgen, was dann in der Regel doch zur OP führe.

Der Verzicht auf eine Sofort-OP dank Antibiotika und Schmerzmittel verschafft Ärzten in jedem Fall mehr Zeit, um eine genaue Diagnose zu stellen. Fehldiagnosen seien inzwischen selten geworden, erklärte der Experte. Besonders wichtig seien Ultraschalluntersuchungen.

Blinddarmentzündungen können mit starken Schmerzen im rechten Unterbauch einhergehen, manchmal begleitet von Übelkeit und Erbrechen oder Durchfall. Die Krankheit ist bei Kindern und Jugendlichen besonders häufig.

Der demografisch bedingte Nachwuchsmangel betrifft in Deutschland neben den Ärzten insgesamt natürlich auch alle Teilsparten, so die Chirurgie: Bis 2020 erreichen dort etwa 11.000 Chirurgen das Pensionsalter. Das ist etwa die Hälfte aller niedergelassenen und fast die Hälfte der im Spital tätigen Chirurgen. Eine Analyse des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PricewaterhouseCoopers zeigt, dass 2030 in Deutschland fast jeder vierte chirurgische Arbeitsplatz unbesetzt sein wird - bei ständig steigenden Operationszahlen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo