Der Ursprung von Krebs

Stammzellforschung verspricht neue Erkenntnisse über Krebs

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"Stammzellen und Krebs" zentrales Thema beim Internationalen Heinrich Behr Symposium in Heidelberg

Die Stammzellforschung boomt - auch für Krebsforscher wird sie immer wichtiger. Die Mediziner erhoffen sich neue Erkenntnisse zur Entstehung von Tumoren und neue Lösungsansätze für deren Heilung. "Stammzellen und Krebs" war darum das zentrale Thema beim Internationalen Heinrich Behr Symposium in Heidelberg.

Erste Mutation tritt meist in Stammzellen auf

"Wir verwenden die Stammzellen, um mehr über den Tumor und seine Metastasen herauszufinden und neue Therapien zu entwickeln, die ihn gezielt vernichten", sagt einer der Gastgeber des Symposiums, Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). "Ein Tumor entsteht, wenn sich in einer Zelle viele verschiedene Genveränderungen anhäufen, sogenannte Mutationen", erläutert Trumpp. Kürzlich sei nachgewiesen worden, dass die erste Mutation oft in Stammzellen auftrete.

"Der Ursprung von Krebs liegt damit oft in unseren Stammzellen." Die Krebsforschung versuche, Möglichkeiten zu finden, nicht nur den vollausgewachsenen Tumor zu zerstören, sondern auch Zellen, die bereits diese ersten Mutationen aufwiesen.

Gehirntumore der Fruchtfliege untersucht

Dem Wiener Molekularbiologen Jürgen Knoblich ist es gelungen, "die Ausbildung einer Tumorstammzelle aus einer normalen Stammzelle in der Fruchtfliege nachzubauen". Wenn ein bestimmtes Gen mutiert und das entsprechende Protein damit aus der Fliege entfernt werde, entstehe ein Gehirntumor, sagte Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. "Und diese Gehirntumore in der Fliege haben Eigenschaften, die auch sehr charakteristisch sind für menschliche Tumore."

Zum Beispiel teilten sich die Zellen darin sehr viel stärker als in gesundem Gewebe. "Während die normale Stammzelle irgendwann aufhört, sich zu teilen, sterben diese Tumorstammzellen nicht", erläuterte Knoblich. Die Forschung lasse sich auf den Menschen übertragen.

Aufbau von Tumoren

Forscher können auch immer mehr sagen über den Aufbau von Tumoren. "Der Tumor ist hierarchisch organisiert", erläutert Trumpp. "Ganz oben sitzt die Krebsstammzelle, die viele nachfolgende, weniger aggressive Krebszellen produziert." Das Tückische daran sei, dass diese Krebsstammzellen sehr viel resistenter seien gegen Chemotherapien und andere Behandlungen. "Während man den Großteil der Tumorzellen vernichten kann, bleiben oft die Krebsstammzellen im Körper zurück."

Nach einer Therapie könnten sie wieder einen neuen Tumor bilden, sagt der Krebsforscher. "Deshalb ist es so wichtig, diese Krebsstammzellen aktiv zu bekämpfen, um die Wiederkehr des Tumors oder auch die Bildung von Metastasen zu verhindern."

Warum Stammzellforschung?

Stammzellexperte Tobias Cantz von der Medizinischen Hochschule Hannover sagt: "Vor einigen Jahren haben sich viele gefragt, was Stammzellforschung denn mit Krebsforschung zu tun haben soll. Eine Krebserkrankung ist ja ein zu viel an Zellen - was soll man da mit noch mehr Zellen, die man aus der Stammzellenforschung generiert hat?" Aber man habe inzwischen verstanden, wie ähnlich sich Krebszellen und Stammzellen strukturell seien.

Wissenschafter können mittlerweile aus Stammzellen sogenannte Organoide züchten. Das sind kleine Gewebestückchen, die aus verschiedenen Zelltypen bestehen. "Das funktioniert, indem man die Stammzellen aus einem Gewebe isoliert und sie unter bestimmten Bedingungen zum Beispiel zu Mini-Därmen oder Mini-Gehirnen auswachsen lässt", erläutert Trumpp. "Aus Gewebe vom Menschen gelingt das mittlerweile auch - dieses Verfahren wird jetzt immer häufiger eingesetzt."

Solche Organoide spielten in der Krebsforschung eine immer wichtigere Rolle, sagt Trumpp. "Wir Krebsforscher haben oft das Problem, dass wir nicht genügend Material von einem Patiententumor bekommen: Die Tumoren sind klein oder die Proben sind bereits größtenteils abgestorben, da gibt es vielerlei Gründe."

Knoblich zufolge braucht die Forschung Organoide, weil sich viele Erkenntnisse aus Tierversuchen nicht auf den Menschen übertragen lassen. An Organoiden könnten Forscher Medikamente testen und Krankheitsmechanismen erkennen. "Das Ganze ist besonders wichtig für das menschliche Gehirn als das Organ, das uns am meisten von Tieren unterscheidet", so Knoblich, der aus menschlichen Hirnstammzellen Gewebestrukturen züchtet, die in vielen Aspekten einem Gehirn ähneln. "Unsere Hoffnung ist, dass es uns gelingen wird, Tumore in diesen Organoiden nachzubauen. Wenn wir das schaffen würden, dann hätten wir auch die Möglichkeit, hier direkt Medikamente zu testen - das wäre ein großer Durchbruch."

Tumormaterial für Tests züchten

Laut Trumpp vom DKFZ hoffen Wissenschafter, in Zukunft das Tumormaterial für jeden Patienten spezifisch züchten und daran erste Tests ausführen zu können. Das Ziel: vorab herausfinden, auf welche Medikamente oder welche Kombination von Wirkstoffen der Tumor ansprechen dürfte. "Irgendwann werden wir so viel Wissen angesammelt haben, dass wir zum Beispiel eine Kombination von Mutationen bei einem Patienten X finden, die wir ein Jahr vorher schon einmal bei einem anderen Patienten gefunden hatten. Durch das Wissen, welche Kombination hier schon gewirkt hat, kann man eine Menge Zeit sparen."

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