Gesundheitsrisiko

So krank kann uns Luft machen

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Thema Lufthygiene in der Pflege

Keimbelastete Raumluft und unangenehme Gerüche gehören in der Pflege zum Alltag. Wer sich in der Arbeit regelmäßig und dauerhaft schlechter oder kontaminierter Luft aussetzt, riskiert teils gravierende Gesundheitsschäden. Der „Airborne Infection Report Österreich“ sowie eine aktuelle AK-Studie beleuchten das Thema Lufthygiene in der Pflege erstmals umfassend, was namhaften Experten Anlass bot, im Rahmen der ersten PflegePlus Podiumsdiskussion am 8. Mai auf das Thema aufmerksam zu machen.  Erich Foglar, Präsident des ÖGB, eröffnete und stellte fest: „Die mit Lufthygiene verbundenen Risiken am Arbeitsplatz werden weitestgehend unterschätzt. Personalreduktionen und erhöhte Arbeitsdichte bei gleichzeitig höher werdenden Anforderungen an Pflegepersonen verschärfen die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich zusätzlich. Im Sinne der ArbeitnehmerInnen, aber auch der BewohnerInnen und PatientInnen in Pflegeeinrichtungen wollen wir hier künftig den partnerschaftlichen Diskurs zur Verbesserung der Lufthygiene verstärken.

Umfassende Lufthygiene: Vom belastenden Geruch bis zum tödlichen Risiko durch gefährliche Keime

Bis zu 90 Prozent ihrer Zeit halten sich Menschen heute durchschnittlich in Innenräumen auf. In Pflegeeinrichtungen – speziell im geriatrischen Umfeld – ist dies oftmals alternativlos. Die Eindämmung von Gerüchen oder Gestank sowie Infektionsrisiken durch Viren und multiresistente Keime beschäftigen Hygieneverantwortliche von Spitälern und anderen Gesundheitseinrichtungen seit Jahren. In Europa ziehen sich beispielsweise jedes Jahr etwa 4,1 Mio. Menschen eine Infektion im Zuge eines Aufenthalts in einer Gesundheitseinrichtung zu, in Österreich sind es rund 91.000. Wie viele Todesfälle es in Österreich durch Krankenhauskeime gibt, ist nicht eruierbar, gemäß der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) fielen 2016 alleine dem Bakterium Clostridium difficile geschätzte 235 Menschen zum Opfer. „Leider werden lufthygienische Probleme nach wie vor zu wenig ernst genommen, obwohl sie uns Millionen kosten. Es ist daher dringend notwendig, dass sich Entscheidungsträger viel stärker als bisher für eine bessere Luftqualität in Pflegeeinrichtungen einsetzen“, fordert Prof. Hans-Peter Hutter vom Department für Umweltmedizin und Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien.

AK-Studie 2017: Geruchsbelastungen als relevantes Gesundheitsrisiko

Mit kontinuierlich steigenden Anforderungen sind auch in der Pflege die hygieneassoziierten Belastungen in den letzten Jahren gestiegen. Neben den vulnerablen Gruppen wie Kranken oder Älteren ist vor allem eine große Anzahl von Beschäftigten in diesen Einrichtungen betroffen. Laut einer AK-Studie, durchgeführt an 644 Arbeitnehmern in der Pflege, fühlen sich 25 % ziemlich bis sehr stark durch übelriechende Dämpfe beziehungsweise Gerüche belastet. Die Belastungen der Pflegepersonen manifestieren sich laut eigenen Angaben vor allem in Schlafstörungen (60 %), Verdauungsproblemen (46 %) und Magenbeschwerden (30 %). Diverse Studien stützen diese Ergebnisse und führen neben psychischen Belastungen außerdem Kopfschmerzen und erhöhten Blutdruck als mögliche Auswirkungen an. AK-Studienautor Dr. Peter Hoffmann dazu: „Lufthygiene betrifft nicht nur die Atemwege, sondern hat auch Einfluss auf die allgemeine Gesundheit, die psychische Konstitution sowie die kognitive Leistungsfähigkeit. Da dem Thema 'Erleben und gesundheitliche Auswirkung von Ekelgefühlen' in der Pflege relativ geringe Aufmerksamkeit zukommt, wäre es höchste Zeit, hier näher hinzusehen!“

Airborne Infection Report Österreich

Während im Rahmen der Basishygiene (Hände- und Oberflächendesinfektion) seit geraumer Zeit umfassende Maßnahmen durchgeführt werden, ist die „Kontrolle der Luftqualität und luftübertragbarer Erreger“ („Airborne Control“) im Gesundheitswesen kaum etabliert. Daten zeigen hier erhebliches Verbesserungspotenzial. Mit dem Airborne Infection Report Österreich wurde das Thema Lufthygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens erstmals umfassend aufgearbeitet. Der Report bietet eine profunde Analyse evidenzbasierter Studien, nimmt Stellung zum Thema Geruchsbelastung in der Pflege und rechnet vor, welche Kostensenkungspotenziale in guter Hygieneprävention liegen. So wird etwa festgehalten, dass

  • mehr als ein Drittel nosokomialer Infektionen auf aerogene Übertragungswege zurückzuführen sind (u. a. Influenza, Noroviren, Clostridien und MRSA)
  • rund ein Zehntel der Keime mittlerweile „multiresistent“, sprich kaum mehr durch Antibiotika behandelbar, sind
  • neben direkten Folgekosten aerogener Infektionen (wie verlängerte Spitalsaufenthalte Personal, Labor, Medikamentenkosten) vor allem Umfeldkosten (wie erhöhter Pflegebedarf, Produktivitätsverluste der Belegschaft oder Krankenstände) starke Kostentreiber sind.

Personalschlüssel korreliert mit Hygienequalität

Die überdurchschnittliche Belastung in Pflegeberufen ist seit Jahren bekannt, die Burn-out-Rate hoch. Überdies setzen wirtschaftlich getriebene Maßnahmen viele Pflegeeinrichtungen gehörig unter Druck. Wenn jedoch aufgrund hoher Arbeitsdichte, steigender Auflagen oder ausgegliederter Verantwortungsbereiche Hygieneroutinen nicht mehr ausreichend erfüllt werden können, kann dies Risiken für Bewohner und Belegschaft mit sich bringen.

„Zu den wichtigsten Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Prophylaxe hygienebezogener Probleme in Pflegeeinrichtungen gehören ausreichende und qualifizierte Personalressourcen. Darauf hinzuweisen ist unsere Aufgabe und das werden wir künftig in partnerschaftlicher Abstimmung mit den Pflegeeinrichtungen auch forcieren“ so DGKP Josef Zellhofer, Vorsitzender der ÖGB-Fachgruppenvereinigung für Gesundheits- und Sozialberufe. Genügend Arbeitsmittel, eine kluge Logistik bei der Mülllagerung sowie dem Handling von Fäkalien sowie der durchdachte Einsatz chemischer Reiniger können die Luftqualität und das subjektive Empfinden aller Beteiligten maßgeblich positiv beeinflussen.

"Unsere Belegschaft und Bewohner verdienen hohe Lebensqualität!"

Aufgrund der demographischen Entwicklung werden Pflegeeinrichtungen hinkünftig eine Verschiebung von Aufgaben vom akutstationären in den langzeitstationären Bereich erleben. Die steigende Lebenserwartung hat auch zur Folge, dass Herausforderungen wie Multimorbidität und kognitive Beeinträchtigung immer häufiger werden. „Gute Hygiene bildet eine Basis für gute Lebensqualität, die wir als Gesellschaft den älteren Menschen, aber auch allen Pflegepersonen schulden“, so Markus Mattersberger, Präsident des Bundesverbands der Alten- und Pflegeheime Österreichs. „Unter Bezugnahme profunder Kosten-Nutzen-Bewertungen sollten wir zudem ein Auge auf echte Innovationen in der Raumlufthygiene – seien sie organisatorisch oder technologisch – haben. Dadurch steigern wir die Qualität der Lebenswelt Pflegeheim für alle Beteiligten“, so Mattersberger abschließend.

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