Ausgebrannt

So entgehen Sie der Burnout-Falle

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Ist Burnout eine Volkskrankheit oder eine Modediagnose? Wir haben einen Experten dazu befragt

Immer mehr Menschen fühlen sich kraftlos, überlastet, nervös und gestresst. Aus diesen Erschöpfungszuständen kann sich sehr leicht ein Burn-out entwickeln. Dabei handelt es sich keineswegs, wie früher angenommen, um eine Managerkrankheit. Burn-out kann jeden treffen und entwickelt sich mittlerweile zur Volkskrankheit. Rund 30 Prozent der Österreicher gelten als Burn-out-gefährdet. Da es sich dabei um kein klar definiertes Krankheitsbild handelt, gibt es keine wissenschaftlich genauen Angaben über die Häufigkeit.

Ursachen erkennen
Wie lässt sich die steigende Zahl der Burn-out-Betroffenen erklären? Ist es eine Folge unserer Leistungsgesellschaft? Die exakte Ursache des Burn-out-Syndroms wird noch diskutiert. Einig sind sich Experten aber darin, dass dauerhafter Stress entscheidend zur Entstehung beitragen kann. Viel zu hohe berufliche, familiäre und gesellschaftliche Erwartungshaltungen fördern Burn-out. Zeit- und Leistungsdruck, Angst um den Arbeitsplatz, fehlende individuelle Gestaltungsmöglichkeiten im Job, Überforderungen und Mobbing spielen ebenso eine wichtige Rolle wie bestimmte persönliche Eigenschaften.

Ob sich Burn-out entwickelt, hängt von Persönlichkeitsmerkmalen, der Fähigkeit, mit Stress umzugehen, aber auch vom Zusammenhang zwischen den Anforderungen und den persönlichen Ressourcen ab. Besteht ein Ungleichgewicht und wird der Anforderungsdruck zu hoch, steigt das Risiko.  Während wir vorübergehende Stresssituationen folgenlos wegstecken können, sind bei anhaltender Belastung über Wochen, Monate oder gar Jahre nachhaltige Konsequenzen für den Organismus vorprogrammiert. Wenn Belastungen die psychischen und physischen Kraftreserven kontinuierlich aufbrauchen, ohne dass Körper und Seele die Möglichkeit haben, sich ausreichend zu erholen, landet der Betroffene schließlich im Zustand des „Ausgebranntseins“.

Prim. Dr. Bernd Reininghaus, ärztlicher Leiter des Therapiezentrums Justuspark, spricht im gesund&fit-Interview über Burn-out und dessen Behandlungsmöglichkeiten:

Was versteht man unter Burn-out?
Prim. Dr. Bernd Reininghaus: Im Laufe unseres Lebens haben wir uns Strategien angeeignet, wie wir mit Stress umgehen. Wir neigen dazu, diese Strategien immer wieder anzuwenden, auch wenn sie nicht mehr zielführend sind. Der Begriff „Burnout”  wird als „Ausgebranntsein“ und „Zustand der totalen Erschöpfung“ als Folge von (beruflicher) Überlastung und chronischem Stresserleben beschrieben. Die Symptome sind vielgestaltig, ähneln aber nicht selten einer Art Depression mit Antriebs- und Energieschwäche, körperlicher Erschöpfung, Kraftlosigkeit, Schlafstörungen sowie negativer Zukunftsperspektive. Ältere Burn-out-Modelle, etwa von Herbert Freudenberger, beschreiben sogar paranoide Symptome, also Symptome aus dem schizophrenen Formenkreis. Fest steht, dass wir es mit einem Blumenstrauß an psychischen Symptomen zu tun haben, deren Ursprung immer in der (beruflichen oder privaten) Überlastung liegt. Mit Burn-out gehen also primär affektive Symptome einher, die einer fachkundigen, medizinischen und komplexen Intervention bedürfen.

Ist Burn-out eine Krankheit oder Modediagnose?

Dr. Reininghaus: Als krankheitswertig ist die Erschöpfung zu betrachten, wenn Leistungsabfall, Schwächegefühl und Schlafstörungen über mehrere Wochen folgen.  Freilich gibt es heute eine inflationäre Verwendung des Begriffs „Burn-out“, der Begriff oder die die Diagnose wird oftmals stellvertretend für ganz andere Probleme oder Erkrankungen vorgeschoben. Die Mär der Erkrankung der Fleißigen ist Ursache für eine – im Gegensatz zu „herkömmlichen“ psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörung – hohe soziale Akzeptanz, sodass Burn-out auch sicher zu einer Modediagnose geworden ist.

Wer ist besonders gefährdet?
Dr. Reininghaus: Es gibt keinen klassischen Risikotypen für Burn-out. Aus der (spärlichen) fundierten Forschung geht hervor, dass die Persönlichkeitsfaktoren Neurotizismus und Perfektionismus eine Rolle spielen. Ein Thema bei Burn-out ist fehlende Selbstreflexion: Viele Menschen erkennen ihre eigenen Grenzen nicht, spüren zu spät, dass sie ihre Energien in einem für sie nicht passenden beruflichen oder privaten Umfeld einbringen. Schwierig wird es immer dann, wenn Anerkennung und Wertschätzung für das fehlen, was geleistet wird.

Betroffen scheinen heute in erster Linie jene zu sein, die sich einerseits auf die neuen alltäglichen Herausforderungen wie Unsicherheit des Arbeitsplatzes, das rasche Sich-einstellen-Müssen auf Veränderungen, Netzwerkdenken, neue Hierarchien oder hohen Konkurrenzdruck nur unzureichend einstellen können, aber andererseits auch keinen Vorteil aus der Vielzahl der sich ihnen bietenden Möglichkeiten unseres neuen Zeitalters ziehen können.

Was kann man gegen Burn-out tun?
Dr. Reininghaus: Die Ansprüche der Arbeitswelt an jeden Einzelnen von uns sind heute wohl höher als früher und werden wahrscheinlich weiterhin zunehmen. Als Kinder haben wir nicht gelernt, unsere eigene Stärke zu kultivieren. Es wäre absolut sinnvoll, bei allen Burn-out-Betroffenen eine Kultur der Selbstreflexion zu entwickeln. Durch den kultivierten Blick ins eigene Ich herauszufinden, wo die eigenen Grenzen liegen, was einem guttut oder nicht bzw. zu hinterfragen, ob man überhaupt am gewünschten Weg ist, wäre ein sinnvoller Anfang. Zusätzlich wäre es wichtig, die eigenen Symptome zu registrieren und diese zu hinterfragen.

Essenziell ist außerdem ein ausgeglichener Lebensstil. Die physischen Zusammenhänge zwischen Fettleibigkeit, Suchtmittelgebrauch, Bewegungsmangel etc. sind ja mittlerweile bekannt. Durch Anpassung des Lebensstils steigt das Wohlbefinden nicht nur aufgrund einer vorübergehenden Endorphinausschüttung, sondern auch, weil das Immunsystem bei Kontinuität gegen physische Alterationen bzw. Infekte resistenter wird. Mein Ratschlag: Gesund leben und für sich selbst eine Form der Selbstreflexion entwickeln. Viele von uns können aber genau das nicht. Hier setzen Coaching und Therapie an.

Was ist bei der Suche nach der geeigneten Therapie zu beachten?
Dr. Reininghaus: Weil Burn-out Modediagnose und mittlerweile auch kommerziell interessant geworden ist, hat auch das Angebot diesbezüglicher „Behandlungen“ stark zugenommen. Eine Gefahr sehe ich besonders bei der Annahme, ein Burn-out mit Wellness behandeln zu können. Erhalten betroffene Patientinnen nicht die geeignete Therapie, so kann sich der Zustand nicht nur verschlechtern: Die Gefahr ist, dass die Erkrankung verschleppt wird. Von größter Wichtigkeit ist also frühzeitig psychiatrisch-fachärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Je nach Ausprägung und Schweregrad müssen zunächst akute psychische Beschwerden gelindert werden, in der Folge eignet sich die psychiatrische Rehabilitation, wie wir sie im Therapiezentrum Justuspark anbieten, zur Rückfallprohylaxe. Im ambulanten Bereich ist die ideale Therapie ebenfalls multimodal, zusätzlich zur ärztlichen Behandlung sollten Lifestyle-Veränderung sowie Coaching-Maßnahmen und als psychotherapeutische Verfahren idealerweise Verhaltenstherapie fokussiert werden. Für den Therapieerfolg entscheidend ist eine entsprechende Veränderungsmotivation der Betroffenen. Im Therapiezentrum Justuspark haben wir ganz bewusst diesen Schwerpunkt gewählt, weil Burn-out im öffentlichen Dienst, aus dem die Mehrheit unserer Versicherten kommt, zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Die wichtigsten Anti-Stress-Tipps 1/5

Prioritäten

Setzen Sie Prioritäten. Statt hektisch im Hamsterrad zu rotieren, sollten wir öfter innehalten und uns fragen, was eigentlich das Ziel ist. An erster Stelle sollte immer Ihre Gesundheit stehen. Dann wählen Sie die Projekte oder Aufgaben nach ihrer Dringlichkeit und schauen Sie, ob Sie Aufgaben verschieben oder delegieren können. Wer Stress vermeiden will, muss auch Grenzen setzen.
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