Das können Eltern tun

Pollenalarm: Allergieschutz für Kids

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Allergien sind auf dem Vormarsch. Warum dem so ist und wie unser Nachwuchs vor Allergien geschützt werden kann, verrät uns DDr. Peter Voitl. 

Der „Allergie-Trend“ ist präsent wie nie. Doch während es häufig bloß subjektive Vermutungen sind, die das Thema Allergie an die Tagesordnung rufen, sind es gleichzeitig tatsächliche Zahlen, die einen klaren Anstieg von Allergien im Kindesalter verdeutlichen. Auch DDr. Peter Voitl, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, sieht die Allergiezahlen seit Jahren kontinuierlich ansteigen. „Zu einem Teil handelt es sich hier um einen echten Anstieg, das heißt, Allergien nehmen tatsächlich zu“, so der langjährige Mediziner. „Ein Teil des zahlenmäßigen Anstiegs ist jedoch auch darin begründet, dass wir heute viel genauer und feiner diagnostizieren können als früher und so Allergien erkannt werden, die noch vor einigen Jahren unerkannt geblieben wären.“ 
 
„Westliches Phänomen“
Für die „echte“ Zunahme an Allergiepatienten gibt es vielfältige Gründe. „Fest steht, dass dieser Anstieg ein Phänomen in der westlichen Welt ist“, erklärt DDr. Voitl. Als Hauptgrund für diesen Trend vermutet die Medizin die in westlichen Ländern häufig erst späte Stimulierung des Immunsystems. „Der ausgeprägte Kontakt mit Keimen und Viren findet bei uns meist erst ab dem zweiten oder dritten Lebensjahr statt, wenn die Kinder in den Kindergarten kommen. Diese relativ späte Infektphase kann ein Risikofaktor für die Entstehung von Allergien sein“, so Dr. Voitl. „Werden Kinder früher krank – so viel weiß man aus zahlreichen Studien –, baut sich der Abwehrschutz ganz anders auf und das Allergierisiko ist deutlich geringer.“ Auch der bereits mehrfach wissenschaftlich erwiesene Stadt-Land-Vergleich ist nicht von der Hand zu weisen, wie Dr. Voitl erklärt: „Man weiß, dass Kinder, die am Land aufwachsen, deutlich seltener von Allergien betroffen sind als jene, die in der Stadt leben. Es wird vermutet, dass der Kontakt mit bestimmten Stallbakterien, oder generell mit mikrobiellen Keimen, wenn er zum richtigen Zeitpunkt geschieht, einen Schutz bietet.“
 
Prävention von Geburt an
„Entscheidend für den Aufbau des Immunsystems und damit für die Allergieprävention ist Stillen“, so DDr. Voitl. „Stillen, am besten bis zum sechsten Monat, ist das Allerwichtigste für den Allergieschutz – das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Auch der Schutz vor Zigarettenrauch wirkt präventiv.“ Ansonsten prägt vor allem die Genetik das Allergierisiko: „Es gibt eine klare genetische Komponente: Hat einer oder gar beide Elternteile eine Allergie, so ist die Neigung zur Entwicklung einer Allergie besonders hoch.“ Lebensstilgewohnheiten der Eltern, etwa die Ernährung, während der Schwangerschaft, spielen wenn, dann nur eine untergeordnete Rolle. „Es ist auch keine Diät bekannt, die das Allergierisiko des Kindes minimieren könnte“, weiß DDr. Voitl. Diverse selbst auferlegte „Vorsichtsmaßnahmen“ sind daher meist nicht sinnvoll. „Weitaus wichtiger ist es, ab der Geburt auf mögliche Unverträglichkeiten zu achten und bei Symptomen entsprechend zu reagieren. Aber bitte immer auf einen möglichst konkreten Anlass hin und niemals aufgrund bloßer Vermutung!“ 

Frühzeitige Behandlung essenziell
„Zur Allergieprävention gehört auch die möglichst frühe Diagnostik und Therapie vorhandener Allergien“, weiß der Kinderarzt. So wird einer gefährliche Verschlimmerung sowie der Entstehung von weiteren Allergien bzw. Kreuzreaktionen vorgebeugt. Das einzige Therapieverfahren, das an der Ursache der Allergie ansetzt, ist die Immuntherapie oder „Hyposensibilisierung“. „Dank moderner Präparate kann die Therapie bei Kindern oral, in Tropfen- oder Tablettenform mit sehr guten Erfolgen durchgeführt werden“, so DDr. Voitl. „Sie ist somit weitaus kindgerechter als die in Spritzenform verabreichte Immuntherapie – bei gleich guten Ergebnissen.“ Besonders gute Heilungschancen bietet die Hyposensibilisierung dann, wenn nur wenige Allergien vorhanden sind (z. B. gegen Gräserpollen oder Hausstaubmilbenkot). Je mehr Allergene vorhanden, desto schwieriger greift die gezielte Therapie. 
 

Allergie erkennen

Was ist eine Allergie?
Der Grund für Allergiebeschwerden ist eine übermäßige Immunreaktion auf ein Allergen (= ein vom Körper als fremd identifizierter Stoff): Der Körper bildet Antikörper, die bei Allergenkontakt die Freisetzung von Histamin veranlassen, welches die Symptome auslöst. Reagiert das Immunsystem bereits beim ersten Kontakt mit einem Fremdstoff allergisch, wird dies „einprogrammiert“. Bei Folgekontakt mit demselben 
Allergen tritt die allergische Reaktion meist schneller ein.
 
Testmethoden im Check
Hauttest: Bei dem am häufigsten angewandten Testverfahren wird die Haut mit möglichen Allergenen in Kontakt gebracht – mittels Pricktest, Reibetest oder Pflastertest –, oder sie werden direkt in die obere Hautschicht „eingeritzt“. Liegt eine Sensibilisierung für das jeweilige Allergen vor, kommt es an der Stelle zur „Quaddelbildung“ (Rötung, Erhebung an der Haut).
 
Bluttest: Verläuft der Hauttest positiv und kommt es zu einer Reaktion, werden mittels Bluttest die genauen IgE-Antikörper (Immunglobuline) bestimmt. Dies gibt genaueren Aufschluss über die Allergie.
 
Provokationstest: Im Rahmen eines Lungenfunktionstests werden Reizstoffe eingeatmet und die Reaktion der Bronchien wird überprüft. Anders bei Schleimhäuten der Nase und Augen: Hier werden die Reizstoffe direkt auf die betroffene Stelle aufgetragen. Bei Lebensmitteln werden Kleinstmengen (z. B. an Laktose) verabreicht, um die körperliche Reaktion zu testen.
 
ISAC-Test: Der ISAC-Mikrochip wurde in Österreich entwickelt und ist eine Revolution auf dem Gebiet der Allergiediagnostik. Ein einzelner Bluttropfen reicht für die Testung von über 100 Allergenen, die sich auf den Feldern des Chips befinden. Die Kosten betragen 280 Euro. (Infos: allergiezentrum. at., 
allergieambulatorium.at)
 
Atemtest: Zur Diagnose von Laktose-, Fruktose- und Sorbitunverträglichkeit misst der Arzt/die Ärztin die ausgestoßene Wasserstoffkonzentration in der Atemluft und kommt so zu Ergebnissen.

Kinderarzt DDr. Voitl im Talk:
Äußern sich Allergien bei Kindern anders als bei Erwachsenen?
DDR. VOITL: Prinzipiell sind die Allergie-Mechanismen und -Symptome dieselben wie bei Erwachsenen. Jedoch ist der Leidensdruck ein ganz anderer, weil Kinder die Symptome viel direkter wahrnehmen: Ein Kind ist etwa einem stark juckenden Hautausschlag viel existenzieller ausgeliefert als ein Erwachsener, der weiß, mit der Salbe ist das nach ein paar Tagen weg. Mitunter sind Allergien auch nicht gleich erkennbar und werden mitgetragen, ohne behandelt zu werden.
 
Was sind die häufigsten Allergien bei Kindern, die Sie in Ihrer Praxis sehen?
DDR. VOITL: Das ist stark vom Lebensalter abhängig. Bei den kleinsten sind es in erster Linie Nahrungsmittelallergien. Diese äußern sich häufig in Stuhlproblemen oder in (großflächigen) Hautausschlägen. Im Kindergarten- und Volksschulalter sind dann v. a. die inhalativen Allergene vertreten, besonders Pollen oder die Hausstaubmilbe. Diese Allergene nimmt man über die Atemwege auf und reagiert auch dort – mit Heuschnupfen oder Asthma. Später nehmen dann unter Umständen die Insektengiftallergien zu, aber die inhalativen Allergien bleiben die häufigsten. 

Können sich Allergien „auswachsen“?
DDR. VOITL: Das kann vorkommen. Aber am besten entwächst man Allergien, indem man sie frühzeitig behandelt. Die Hyposensibilisierung ist eine sehr gute Möglichkeit, die Allergie als solche ursächlich zu therapieren. Deshalb ist es enorm wichtig, dass erste Symptome ärztlich abgeklärt werden und gegebenenfalls früh mit der Therapie begonnen wird – nicht erst dann, wenn die Allergie schon stark ausgeprägt ist. 
 
Wie funktioniert die Hyposensibilisierung bei Kindern?
DDR. VOITL: Es stehen uns orale Präparate zur Verfügung (Anm.: Tabletten und Tropfen). Dank ihnen können Spritzen vermieden und dennoch sehr gute Erfolge erzielt werden. Je weniger Allergien vorhanden, desto besser die Heilungschancen.
 
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