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Molekularbiologe Wolfgang Gruber im Talk

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Molekularbiologe Wolfgang Gruber im Talk

Was sind Tumorstammzellen?

Wolfgang Gruber: In einem Tumor sind nur sehr wenige Krebsstammzellen vorhanden. Die Tumorstammzelle sitzt ganz oben am Ursprung und ist sozusagen die Urgroßmutter aller Tumorzellen. Die Tumorstammzellen entstehen aus mutierten Stammzellen, von dort haben sie auch ihre Eigenschaften, die jedoch verändert sind. Sie können sich unendlich teilen und sind nicht mehr kontrollierbar wie normale Stammzellen.

Warum wirken Chemo-/Strahlentherapie nicht gegen die Krebsstammzellen?

Gruber: Chemo- oder Strahlentherapie zielen am meisten auf sich teilende Zellen ab. Die Krebsstammzellen teilen sich eher selten und können dadurch dieser Therapie entkommen. Teilweise sitzen sie auch in sehr geschützten Nischen, also geschützt von anderen Zellen und sind daher schlecht erreichbar für diese Substanzen. Sie sind von Grund auf weniger anfällig und haben zusätzlich noch spezielle Eigenschaften. So haben sie bestimmte Pumpen, die giftige Sub­stanzen ausschleusen können. Diese sind bei Krebsstammzellen besonders aktiv. Mit ein Grund, warum sich diese Zellen unendlich oft teilen können, ist die sehr hohe Telomeraseaktivität. Normalerweise verkürzen sich bei jeder Zellteilung die Telomere, die Chromosomenenden, bis sich die Zelle nicht mehr teilen kann. Bei der Telomeraseaktivität der Krebszelle stellt ein Enzym die Telomere jedoch immer wieder neu her.  

Sind die „schlafenden“ Krebsstammzellen schuld an Rezidiven und Metastasen?

Gruber: Krebsstammzellen teilen sich oft über lange Zeit nicht. Wenn dann Chemotherapien oder Ähnliches abgesetzt sind, fangen sie nach längerer Zeit wieder an, sich zu teilen und führen dann zu einem Rezidiv. Die Fähigkeit einer Krebsstammzelle ist ja, dass sie in der Lage ist, einen neuen Tumor zu initiieren. Bei einem Rezidiv macht sie das auch. Der Patient ist häufig fast tumorfrei, und aus einer einzigen Zelle kann dann wieder ein ganzer Tumor gebildet werden. Ähnlich bei einer Metastase, wo es nur einzelne Zellen schaffen, aus dem Tumor auszuwandern und in einer fremden Umgebung von Grund auf einen neuen Tumor zu bilden. Das ist für eine Tumorzelle sehr schwierig, das schaffen eigentlich nur Krebsstammzellen.

Wie kann man diese Zellen durch den neuen Therapieansatz ausschalten?

Gruber: Wenn man Krebsstammzellen und deren Eigenschaften studiert, kann man häufig Anfälligkeiten oder Empfindlichkeiten der Zelle ausfindig machen. Das haben wir getan. Wir haben ein Protein gefunden, das für die Krebsstammzelle ganz wichtig ist. In diesem Fall ist es ein Signalweg, der in den Krebsstammzellen aktiv sein muss. Dieser Signalweg ist ein Masterregulator, der viele Auswirkungen hat. Schaltet man diesen Signalweg ab, ist die Krebsstammzelle nicht mehr in der Lage, sich zu teilen und wird apoptotisch, das heißt, sie stirbt ab. Wir haben nun in diesem Signalweg ein zentrales Protein gefunden und gemeinsam mit einer Firma ein Molekül entwickelt, das genau dieses spezifische Protein ausschaltet, so den Signalweg abdreht und die Krebsstammzellen gezielt eliminiert.

Wie geht es nun weiter?

Gruber: Noch ist alles präklinisch, wir haben noch keine Patienten behandelt. Wir sind ja Biologen und Grundlagenforscher, aber im Mausmodell war es sehr erfolgreich. Klinische Studien sind angedacht und könnten in den nächsten ein bis zwei Jahren starten. Um wirklich zum Medikament zu werden, muss man alle klinischen Studien erfolgreich durchlaufen. Im positiven Fall wäre es vielleicht in zehn Jahren so weit.

Kann durch diese Therapie eine Heilung von Krebs erreicht werden?

Gruber: Man darf sich kein Wundermittel versprechen, aber wenn der Mechanismus an sich gut funktioniert, wäre das wirklich etwas, das man gegen viele Krebsarten anwenden kann. Unsere Modelle haben wir vor allem bei Bauchspeicheldrüsenkarzinomen durchgeführt, was ja ein sehr bösartiger Krebs ist, der sehr schnell zum Tod führt.  Dort waren sie sehr erfolgreich. Die Theorie könnte auch bei vielen Krebsformen Anwendung finden.

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