Therapie

Mehr Zentren für seltene Erkrankungen

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Gesammelte Expertise als Voraussetzung für frühe Diagnose.

Rund 400.000 Menschen sind in Österreich von geschätzten 6.000 bis 8.000 sogenannten Seltenen Erkrankungen betroffen. Für eine frühe Diagnose, eine entsprechende Behandlung und die Forschung sind Zentrumsbildung im Land selbst und internationale Zusammenarbeit erforderlich. Dies wurde bei einem Pharmig-Hintergrundgespräch Montagnachmittag in Wien betont.

Diagnose dauert durchschnittlich vier bis sieben Jahre

"Je mehr Information, je stärker die Vernetzung, umso besser die Versorgung", sagte Rainer Riedl, Obmann des "Pro Rare"-Dachverbandes der entsprechenden Selbsthilfegruppen. "Durchschnittlich vier bis sieben Jahre dauert es, bis Patienten mit Seltenen Erkrankungen richtig diagnostiziert werden. Das ist ein immens langer Leidensweg, der sich gewaltig auf die Lebensqualität auswirkt."

Sechs bis acht Prozent der Bevölkerung betroffen

Das Hintergrundgespräch des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) fand aus Anlass des Tages der Seltenen Erkrankungen (28. Februar) statt. Von einer solchen wird gesprochen, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen an ihr leiden. Durch die Vielzahl dieser Krankheiten sind aber insgesamt sechs bis acht Prozent der Bevölkerung betroffen. Ein Problem liegt darin, dass die Erkrankungen zunächst oft gar nicht erkannt werden. 80 Prozent dieser Leiden sind genetisch bedingt, 50 Prozent betreffen Kinder. Für 95 Prozent gibt es keine spezifische Therapie. Allerdings sind bereits 20 Prozent der Medikamente, die jährlich in der EU neu auf den Markt kommen, sogenannte Orphan Drugs für die Behandlung von Seltenen Erkrankungen.

Bisher nur ein Expertisezentrum in Österreich

In Österreich wurde bisher ein Expertisezentrum für eine Seltene Erkrankung etabliert. Es handelt sich dabei um das EB-Haus in Salzburg (Epidermolysis bullosa/"Schmetterlingskinder"). Als zweite solche Einrichtung soll 2017 ein Zentrum für pädiatrische Onkologie im St. Anna Kinderspital werden. Darüber hinaus gibt es Netzwerke im Rahmen von Forschungs- und Behandlungseinrichtungen rund um die Wiener Universitätsklinik (MedUni Wien/AKH) mit dem Zentrum für Seltene und unbekannte Krankheiten (CeRUD) und an der Innsbrucker Universitätsklinik bzw. MedUni das Zentrum für Seltene Krankheiten Innsbruck (ZSKI).

Insbesondere Patienten, Selbsthilfegruppen und, was die Entwicklung innovativer Therapien betrifft, auch die pharmazeutische Industrie fordern, dass rasch eine größere Anzahl an solchen Zentren in Österreich designiert und auf EU-Ebene in die Europäische Referenznetzwerke (sog. ERN) integriert wird. Einerseits ist das für die Patientenversorgung wichtig, andererseits können bei Seltenen Erkrankungen neue wissenschaftliche Erkenntnisse und klinische Studien für neue Therapien zumeist nur im Rahmen solcher Organisationen durchgeführt werden, weil sonst die notwendige Fallzahl an Patienten fehlt.

Nationaler Aktionsplan für Seltene Erkrankungen

Der österreichische Nationale Aktionsplan für Seltene Erkrankungen (NAP.se) sieht als zentrale Maßnahme ein Bündeln, Vernetzen und Sichtbarmachen der in Österreich bestehenden Expertise zu Seltenen Erkrankungen vor. Dies soll durch die "Designation" (Ernennung) von spezialisierten Einrichtungen für definierte Gruppen von Seltenen Erkrankungen geschehen. Die Nationale Koordinationsstelle für Seltene Erkrankungen (NKSE) ist, in enger Kooperation mit Orphanet Austria, im Auftrag des Gesundheitsministeriums mit dem Designationsprozess entsprechender Einrichtungen betraut. Die Entscheidungen trifft letztlich die Bundeszielsteuerungskommission, bestehend aus Vertretern von Bund, Ländern und Sozialversicherung.

Wolfgang Schnitzel, Vorsitzender im Arbeitskreis Rare Diseases der Pharmig, forderte eine rasche Abwicklung solcher Prozesse: Ohne Zentren mit der entsprechenden Expertise können in Österreich keine klinischen Prüfungen für Seltene Erkrankungen durchgeführt werden, um neue Medikamente zu entwickeln."

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