Hormon-Chaos

Das macht das Handy mit Ihrem Hirn

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Das Smartphone als Kommunikations-, Info-, und Entertainment-Tool hat unser Hirn längst in Beschlag genommen. Wie man sich davor schützen kann, weiß unsere Expertin.

Die Schule hat noch nicht wieder begonnen, doch schon jetzt laufen die Diskussionen rund um Handy-Verbote in den Klassen auf Hochtouren. Und das zu Recht. Glaubt man aktuellen Studien, beginnt die negative Einflussnahme der Smartphones nämlich nicht erst in der Pubertät, sondern bereits vor dem Kleinkindalter. Bei Untersuchungen wurde festgestellt, dass der übermäßige Medien- und Smartphone-Konsum der Bezugspersonen (in den USA sind es bis zu neun Stunden täglich) nicht nur die Eltern-Kind-Beziehung stark beeinträchtigen, sondern Verhaltensauffälligkeiten beim Nachwuchs auslösen kann. Dazu zählen laut Forschern u. a. Hyperaktivität, Frust, Wut- oder Weinanfälle. Auch Angstzustände und Rückzug können die Folge sein, wenn auf die emotionalen Bedürfnisse der Kinder nicht frei von Ablenkung eingegangen wird. Die Life-Child-Studie der Universität Leipzig belegt wiederum, dass Vorschüler, die täglich Smartphone oder Computer nutzen, ebenfalls häufiger emotionale Probleme, Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit entwickeln als Kinder, die diese Medien nicht verwendeten. US-amerikanische Untersuchungen, die sich mit den Auswirkungen der Medialisierung bei jungen Erwachsenen befassten, ergaben die Zunahme von Unzufriedenheit, Depression und Einsamkeit – vor allem ausgelöst durch die Nutzung  sozialer Online-Netzwerke. Psychologin Mag. Christina Beran erläutert die Hintergründe: „Um Sozialverhalten zu erlenen, braucht es den realen, häufigen Umgang mit echten Menschen – um sie zu verstehen, sich in sie einfühlen und Empathie entwickeln zu können.“  Nun – und das legen jüngste Studien ebenfalls nahe – beginnen bei Kindern und Jugendlichen die digitalen sozialen Medien den realen Umgang zu ersetzen.

Den Kreislauf durchbrechen
Die Digitalisierung ist unumkehrbar und schreitet stetig voran. Die enorme Geschwindigkeit der Entwicklung der digitalen Medien – v. a. des Smartphones – machen die damit einhergehenden Veränderungen, Folgen und Einflüsse nur schwer abschätzbar. Umso wichtiger ist es die ersten Alarmzeichen in unserer Gesellschaft ernst zu nehmen und entsprechend darauf zu reagieren.
Analysen zeigen, dass mittlerweile drei Viertel aller Jugendliche ein Smartphone besitzen, und dass die Abhängigkeit inzwischen so weit geht, dass alle sieben Minuten das Handy gecheckt bzw. mehrere Stunden am Tag am Handy, Tablet oder Computer verbracht wird. Dabei nutzen wir die Smartphones immer weniger um zu telefonieren, sondern zunehmend um online zu spielen, auf sozialen Plattformen zu posten, zu liken, und einen großen Teil unserer Zeit darauf zu warten, dass unsere Beiträge Reaktionen bewirken. Ein fataler Kreislauf, der nachweisliche Auswirkungen auf unser Gehirn und den Hormonhaushalt ausübt (siehe Kasten unten).
Da unser Gehirn beständig lernt, sich durch seinen Gebrauch sichtbar und nachweislich verändert (Neuroplastizität) und sich an neue Gegebenheiten anpasst, haben wir es selbst in der Hand, ob wir am Ende ein Hirn besitzen, das darauf ausgelegt ist, sich gut und zusammenhängend konzentrieren zu können oder eines, das sich beständig ablenken lässt – weil wir es konstant darauf trainiert haben. Damit es in Zukunft keinen eigenen Unterrichtsgegenstand braucht, in dem die Kinder wieder lernen müssen, wie man miteinander „analog“ kommuniziert, wie man gebündelte Aufmerksamkeit auf das Lesen eines Buches lenkt, oder sich mit kreativem Gestalten von Langeweile fernhält, sollten Eltern (bei sich) eingreifen, um diese Entwicklung aufzuhalten.

Die Tipps der Expertin
Mag. Beran empfiehlt: 1) Lesen Sie ein Buch, nicht nur im Netz. 2) Überfliegen Sie einen Artikel nicht nur, sondern lesen Sie ihn von Anfang bis Ende. 3) Gehen Sie ohne Handy einkaufen oder spazieren. 4) Drehen Sie das Handy ab, wenn Sie mit Ihren Kindern spielen. 5) Vereinbaren Sie handyfreie Zeiträume. 6) Finden Sie mit Ihren Kindern gemeinsam analoge Dinge, die Sie gerne machen, und halten Sie sie auf einer Liste fest. 7) Limitieren Sie die Zeit im Internet und schalten Sie das Handy ab einer bestimmten Tageszeit aus. 8) Halten Sie den Konsum elektronischer Medien bei (Klein-)Kindern so gering wie möglich.

Ein Statement von Apple-CEO Tim Cook, wonach er seinem Neffen keine sozialen Netzwerke erlaubt, lässt aufhorchen. Microsofts Bill Gates soll seinen Kindern keine Smartphones bis zum 14. Geburtstag erlaubt haben, danach galten strenge Regeln für deren Gebrauch. Vielleicht ist ein Handy-Verbot an Schulen daher als erster Schritt gar keine so schlechte Idee.
 

Auswirkungen des Smartphones aufs Gehirn
Dopamin („Glückshormon“)
Belohnungssystem Der Griff zum Smartphone kommt oft der Ausschau nach Selbstbestätigung gleich. Belohnend wirken kann ein Bild, eine Nachricht, ein Chat oder ein Like. Dadurch schüttet das Gehirn Dopamin, ein „Glückshormon“ aus, das bewirkt, dass wir uns besser fühlen. Das Problem dabei ist, dass wir uns an gute Gefühle gewöhnen und daher eine immer höhere Dosis brauchen. Wird eine Erwartung nicht erfüllt, oder treffen negative Nachrichten ein, sinkt das Dopamin-Level und somit auch unsere Zufriedenheit. Wir suchen also weiter, bis wir wieder zur Belohnung gelangen.

Cortisol („Stresshormon“)
Stresserzeugung Man kann gut beobachten, dass Menschen nervös werden, wenn sie ihr Handy nicht benutzen dürfen. Denn sobald wir das Smartphone weglegen müssen, stresst uns das. Wir schütten  Stresshormone, u. a. Cortisol, aus.  Der künstlich, durch die Handy-Abhängigkeit produzierte Stresspegel sinkt, wenn wir wieder danach greifen.  

Impulskontrolle (Pfc)
Konsumverhalten Durch die oben angeführte Dynamik und Hormonausschüttung, fällt es den Menschen immer schwerer, den Internet- und Smartphone-Konsum zu kontrollieren. Noch schwieriger ist das für Kinder und Jugendliche.  Der Grund: Das Areal im Gehirn, das für Selbstkontrolle (Impulskontrolle) zuständig ist – der präfrontale Cortex (PFC) –  ist erst nach der Pubertät vollständig ausgereift. Tipp: Bis dahin sollten die Eltern bzw. erwachsenen Bezugspersonen den Zugang zu digitalen Geräten kontrollieren/limitieren und dabei selbst ein geeignetes Vorbild sein.  
 
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