Gesundheit als Luxus

So macht Armut krank

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Einkommen entscheidet über Gesundheit

Österreich gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Die Gesundheitsausgaben - 10,3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (Deutschland: 11,3 Prozent; USA: 17,9 Prozent) - sind im internationalen Vergleich im höheren Bereich. Doch auch ein derart hoch entwickeltes Gesundheits- und Sozialsystem mit praktisch universellem Zugang schafft noch keine "Gleichheit", was die Gesundheit angeht.

Keine Gleichheit im Gesundheitssystem

Auf "Liberte, Egalite, Sante" wandelten die Organisatoren der diesjährigen Alpbacher Gesundheitsgespräche die Forderungen von Französischer Revolution und Aufklärung etwas ab. Doch die aktuellen Daten sprechen noch lange nicht dafür, dass in Österreich neben Freiheit auch Gleichheit - und als Konsequenz ein hoher Gesundheitszustand - erreicht worden ist.

"Wir haben vier Dimensionen in diesem Zusammenhang: Die Unterschiede in den gesundheitlichen Belastungen wie schimmlige Wohnung, belastende Arbeit, Prekarität, Luft-und Lärmbelastung, Stress und Unterschiede in den Ressourcen zur Bewältigung von Problemen wie Handlungsspielräume, Anerkennung, soziale Netzwerke und Bildung. Hinzu kommen Unterschiede in der gesundheitlichen Versorgung mit Krankenversicherung, Selbstbehalten, Wartezeiten, Fachärzte - und schließlich Faktoren wie Ernährung, Bewegung, Schlaf etc. Diese Faktoren sind eng mit einander verwoben", erklärte Martin Schenk von der Diakonie Österreich und Mitbegründer der Armutskonferenz.

Chronische Krankheiten vermehrt bei Niedrigeinkommen

Nun mag gerade das österreichische Gesundheitswesen mit einem Anteil von knapp unter hundert Prozent bei den Menschen mit prinzipiell gleichem Zugang zu Leistungen über die gesetzliche Krankenversicherung im internationalen Vergleich zu den egalitärsten Systemen gehören. Doch weiterhin macht Armut in Österreich offenbar krank - und ein funktionierendes Gesundheitssystem allein noch nicht gesund.

"43 Prozent der Personen mit niedrigem Einkommen haben ein chronisches Gesundheitsproblem, während dies nur 33 Prozent der Personen mit hohem Einkommen haben. Dieser sozioökonomische Unterschied ist in jungen Jahren noch nicht so relevant, zeigt sich aber deutlich ab einem Alter von 40 Jahren. So haben 51 Prozent der 40- bis 64-Jährigen mit niedrigem Einkommen, aber nur 33 Prozent der 40- bis 64-Jährigen mit hohem Einkommen eine chronische Krankheit. In der Altersgruppe der 65- und Mehrjährigen bleibt dieser Einkommensunterschied weitgehend bestehen (68 Prozent versus 54 Prozent; Anm.)", stellte Schenk gegenüber der APA fest.

Oft kombinierte gesundheitliche Benachteiligungen

Eine Krankheit oder eine gesundheitliche Beeinträchtigung kommen zumeist nicht allein. Die österreichischen Daten sprechen hier für deutliche Unterschiede besonders im Kindesalter und im mittleren Alter: Vier Prozent der Kinder und Jugendlichen (bis 19 Jahre) aus Familien mit niedrigem Einkommen weisen eine mehrfache gesundheitliche Benachteiligung auf, hingegen nur ein Prozent dieser Altersgruppe aus einem Umfeld mit mittlerem Einkommen und null Prozent aus einem Umfeld mit hohem Einkommen. Bei den 20- bis 39 Jahren liegen diese Anteile mit vier, drei bzw. zwei Prozent (nach den genannten Einkommenskategorien) dichter beieinander.

Bei den 40- bis 64-Jährigen sind die Unterschiede hingegen eklatant: 21 Prozent der Menschen mit niedrigem Einkommen weisen eine mehrfache gesundheitliche Benachteiligung auf, hingegen acht Prozent mit mittlerem Einkommen und vier Prozent mit hohem Einkommen. Bei den über 65-Jährigen sind die Anteile wiederum ähnlicher (24, 22 bzw. 18 Prozent). Hier könnte allerdings bereits die deutlich geringere Lebenserwartung der Menschen mit niedrigem Einkommen in der Statistik durchschlagen.

Armutsbetroffene sterben 10 Jahre früher

"Armutsbetroffene sterben um zehn Jahre früher als Rest der Bevölkerung, bei Wohnungslosen macht der Unterschied sogar 20 Jahre aus. Männer in manifester Armut sterben um 11,2 Jahre früher, Frauen um 4,4 Jahre als der Rest der Bevölkerung. Bei länger andauernder Armut verringert sich die Lebenserwartung um zwölf Jahre bei Männern und 9,1 Jahre bei Frauen. Diese enorme Einschränkung der Lebenserwartung betrifft in Österreich fast 270.000 Menschen oder 3,2 Prozent der Bevölkerung", betonte Schenk. Das entspreche in etwa der Bevölkerung von Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs.

Zusätzliche Anstrengungen, damit in Österreich auch die sozial am meisten Benachteiligten gesünder leben und vermehrt gesundheitsbezogene Leistungen in Anspruch nehmen (können), seien sicherlich wichtig. Doch darüber hinaus gehe es auch prinzipiell um die Entwicklung von Ungleichheit. Und hier gibt es gerade seit der Finanz- und Wirtschaftskrise neue Entwicklungen.

Junge Familien & Co. besonders stark unter Druck

"Die Lohneinkommen sind in den vergangenen Jahren in Österreich auseinandergegangen. Das trifft vor allem die Unter-40-Jährigen mit Prekarisierung und Nichtanstellungen. Die Haushaltseinkommen sind aber etwa stabil geblieben", sagte Schenk. Letzteres sei wohl durch Leistungen des Sozialsystems, durch finanzielle Transfers und Sachleistungen gewährleistet worden. "Das ist in der EU sonst nur in Schweden, Dänemark und Luxemburg geglückt." Auf der anderen Seite seien dafür wiederum die Vermögenseinkommen auseinandergegangen, meinte der Experte.

Sozial speziell unter Druck und damit auch gesundheitlich belastet sind in Österreich laut Schenk vor allem vier Gruppen: junge Familien, Menschen mit hohen Belastungen durch das Wohnen, chronisch Kranke ab dem 40. Lebensjahr mit Einkommensausfällen sowie ältere Arbeitslose in den Altersgruppen über 50.

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