Unverträglichkeiten im Check

Nahrungsintoleranz: Hab ich das auch?

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Beschwerden nach einer Mahlzeit sind im Vormarsch. Ob tatsächlich eine Unverträglichkeit dahintersteckt, verraten die Experten.

Freundin A. trinkt ihren Latte nur mehr mit Mandelmilch. Es gehe ihr dadurch besser und sie habe mehr Energie. G. bekommt schon beim Anblick von Brot Bauchschmerzen, und S. läuft seit Kurzem rot an, wenn sie am Wein nippt. Unbeschwert gegessen und getrunken, was schmeckt, wird nur noch selten. Denn unser Bauchgefühl sagt immer häufiger: lieber Finger weg!  Sechs von zehn Befragten haben laut neuer Umfrage das Gefühl, dass Nahrungsmittelintoleranzen stark auf dem Vormarsch sind. Tatsächlich diagnostiziert ist eine Unverträglichkeit derzeit bei 17 Prozent der Österreicher. Am häufigsten verzeichnet ist die Lak­toseunverträglichkeit mit 11,5 Prozent, gefolgt von His­taminintoleranz (10,4 Prozent).  Die Tendenz – und das ist Evidenz – ist leicht steigend. Zum einen ist dies auf immer moderne Möglichkeiten der Diagnostik, zum anderen auf unseren Lebensstil zurückzuführen. Denn die Ursache für eine Nahrungsmittelunverträglichkeit – zumeist ein Enzymmangel – ist nicht nur genetisch bedingt, sie kann im Laufe der Jahre auch erworben werden, und zwar durch unsere Ernährungsgewohnheiten. Ernährungsmediziner und Diätologin klären auf, wann tatsächlich eine Intoleranz vorliegt, wie möglichst rasch eine Diagnose gestellt werden kann und was im Falle einer bestehenden Intoleranz Beschwerden lindert.
 
Was bedeutet 'intolerant'? 1/5

Intoleranz – was ist das?

Bei einer Intoleranz- bzw. Unverträglichkeit ist der Organismus nicht imstande, bestimmte Nahrungsbestandteile zu verdauen.
Sie ist klar von einer Lebensmittelallergie zu differenzieren.

Lifestyle-Problematik

 
Der menschliche Organismus hat sich in den letzten Jahrhunderten nicht so stark verändert, wie unsere Essgewohnheiten. Auch wenn der Körper ­immer versucht sich den Gegebenheiten anzupassen, kommt es in manchen Fällen aufgrund falscher Dosierung, künstlicher Zusatz- und Farbstoffe ­sowie Geschmacksverstärkern zur Überbelastung, so Dr. med Christian Matthai, FA für Gynäkologie, Ernährungs-, Sport- und Vitalmediziner.
Entsteht eine Unverträglichkeit, respektive liegt eine vor, können bestimmte Nahrungsmittel aufgrund eines Enzym- oder Proteinmangels bzw. eines Defekts nur schlecht oder gar nicht verdaut werden. Die Unfähigkeit, bestimmte Nahrungsbestandteile wie Milchzucker, Glutamat (Salze der Glutaminsäure, z. B. in Sojasauce) oder Sorbit (Zuckeraustauschstoff) aufzuspalten, wirkt sich vor allem auf den Magen-Darm-Trakt aus und äußert sich in Form von starken Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung oder leichten Krämpfen. Zudem können Intoleranzen wie Laktose, Fruktose- und Histamin- oder Glutenunverträglichkeit sowie Sorbit-, Saccharose-, Galaktose-, Glutamat- oder Sulfit-Malasorption auch zu folgenden weitläufigeren Symptomen führen: Müdigkeit, Schwindel, Hitzewallungen, Herzrasen, Niedergeschlagenheit oder Depressionen. Zu den Folgeerscheinungen gehört eine Übersäuerung des Magens. In schwerwiegenden Fällen kann es zu einer Schädigung der Darmschleimhaut kommen. 

 

Diagnose: Intoleranz

 
Eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit sind Intoleranzen nicht, doch Betroffene berichten zumeist von einem langen von unangenehmen Beschwerden geprägten Weg bis zur Diagnosestellung. Diese dauert im Durchschnitt zwei Jahre. Oft können Symptome nur schwer zugeordnet werden. Unter anderem ist die Abgrenzung zur „echten“ Lebensmittelallergie, von der ein bis zehn Prozent (Quelle: OEGE) der Bevölkerung betroffen sind, keine einfache. Die Symptome einer Allergie (Ursache ist eine Überreaktion des ­Immunsystems) können ähnlich sein, die Folgen der krankhaften Abwehr­reaktion sind aber meist schwerwiegender und die Therapie unterscheidet sich.
Den Beschwerden können u. a. aber auch stressbedingte psychosomatische Ursachen (z. B. Reizdarmsyndrom) zugrunde liegen. In jedem Fall empfiehlt Dr. Matthai bei immer wiederkehrenden Beschwerden, einen Ernährungsexperten, Diätologen oder spezialisierten Allgemeinmediziner für ein Beratungsgespräch aufzusuchen. Dieser kann nach erster Anamnese an die zuständige Stelle, z. B. ein Labor, weiterverweisen. Zur genauen Abklärung stehen Blut-, Gen-, oder H2-Atemtest (sehr treffsicher bei Laktose- und Fruktose­unverträglichkeit) zur Verfügung.  Hilfreich kann zudem ein Ernährungstagebuch sein, in dem man seine Ess­gewohnheiten durch Weglassen (Eliminationsdiät) bzw. das Hinzufügen gewisser Lebensmittel – getrennt voneinander – sorgfältig notiert. So kann man kontrollieren, ob und wann sich die Verdauungssituation verändert. „Keine gute Idee“, so Dr. Matthai, „sind hingegen Selbsttests im Internet und der Verzicht auf diverse gesunde und nährstoffreiche Lebensmittel auf eigenes Rezept.“
 

Das hilft!

 
Wird eine Unverträglichkeit ärztlich festgestellt, kann man den Ernährungsplan mit Hilfe eines Diätologen gezielt anpassen, eventuell auch medikamentös nachhelfen. Dauerhafte Ernährungs­umstellung, Nährstofftherapie und Darmsanierung sind Grundvoraussetzung, um den Organismus zu heilen. 
So wird beschwerdefreies Genießen wieder möglich und die Lebensqualität erheblich gesteigert.
 
Intoleranzen im Überblick 1/4

Fruktose-Intoleranz (FI)

Auslöser: Früchte & Zucker Beides enthält Fruchtzucker bzw. Fruktose (WHO-Empfehlung: 25 bis max. 50 Gramm Zucker pro Tag).

Ursache:
Fehlen des Aldolase-B-Leberenzyms, das Fruktose in Blutzucker umwandelt.

Zusatzinfo: Man unterscheidet bei dieser Stoffwechselstörung zwei Arten: 1.) Angeborene (hereditäre) FI: bereits kleine Mengen reichen, um Symptome wie Verdauungsstörungen oder Müdigkeit auszulösen. 
 
2.) Erworbene (intestinale) FI: erst bei größeren Mengen kommt es zu Beschwerden. Symptome: Verdauungsprobleme, Depressionen. Therapie: Verzicht bzw. das Enzym Xylose Isomerase. Anzahl der Betroffenen (in %): Mit ca. 30 Prozent in Europa eine der höchsten.
 
 

Beschwerdefreier Alltag ist möglich

 

Mag. Caroline Sonnenberg – Talk

Steigt die Anzahl der Betroffenen bei Intoleranzen tatsächlich an – oder trügt der Schein?
Caroline Sonnenberg: Zum einen gibt es heutzutage viel mehr die Möglichkeit der Diagnostik, weshalb immer mehr Fälle bekannt werden. Zum anderen ist es schon auch so, dass aufgrund vermehrter Fertigprodukte bestimmte Substanzen in der Ernährung öfter vorkommen. Beispiel Fruktose: Jeder Mensch hat eine gewisse Kapazität für Fruktose. Da diese aber in immer mehr Produkten zugesetzt wird, wird dem Organismus viel mehr zugeführt, als er verträgt.

Welche anderen Ursachen gibt es?
Sonnenberg: Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind angeborene oder erworbene Enzymdefekte, die sich im Laufe der Zeit entwickeln können. Dies kann als Folge einer Grunderkrankung geschehen – zum Beispiel einer Darmentzündung, aber eben auch durch eine falsche Ernährungsweise.

Welche Anzeichen sind bemerkbar?
Sonnenberg: Die Symptome machen sich vorrangig im Magen-Darm-Trakt bemerkbar. Sie sind in Abhängigkeit vom Nahrungsmittel sehr verschieden und können sich durch Schmerzen und Verdauungs­beschwerden wie Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung äußern.
 
Wie lassen sich Intoleranzen feststellen?
Sonnenberg: Durch eine ausführliche Anamnese und verschiedene diagnostische Verfahren, beispielsweise einen H2-Atemtest, einen Bluttest oder einen Gentest.
 
Streitfrage Gluten – Allergie oder Intoleranz?
Sonnenberg: Gluten kann sowohl allergische Reaktionen verursachen als auch auch als Nahrungsmittelunverträglichkeit, wie dem Krankheitsbild der Zöliakie, ­auftreten.
 
Sind Unverträglichkeiten generell heilbar?
Sonnenberg: Nein, sind sie nicht. Doch nach Diagnose und Beratungsgespräch mit einem Diätologen sowie durch die Einhaltung der entsprechenden Ernährungsempfehlungen kann man den Organismus unterstützen und einen beschwerdefreien Alltag erreichen.

Mag. Caroline Sonnenberg, BSC ist Diätologin, ­Allergiezentrum Wien West. www.allergiezentrum.at

 

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