Durchbruch in der Wissenschaft

So schmilzt Fett schneller

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Fett ist nicht gleich Fett. Doch nicht nur in der Ernährung ist der feine Unterschied ein sehr wichtiger. Studien konnten kürzlich aufzeigten, dass es eine entscheidende Rolle spielt, welche Farbe unser Körperfett aufweist.

Auf der Suche nach den Ursachen für Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen und für Veranlagung werden jedes Jahr unzählige Studien durchgeführt und ausgewertet. Ein noch relativ neuer wissenschaftlicher Ansatz widmet sich der Färbung von Fettgewebe und deren Auswirkung auf unseren Stoffwechsel und die Fettverbrennung. Speziell geht es um den Unterschied zwischen weißem und braunem Fett.

Speicherung versus Verbrennung
Bei Menschen und Säugetieren werden allgemein zwei Fettdepottypen unterschieden: das weiße und das braune Fettgewebe. Weißes Fettgewebe kommt im menschlichen Körper sehr viel häufiger vor. Es speichert Fett und lagert sich vor allem an unliebsamen Depots wie Bauch, Po und Oberschenkeln an. Diese Depots sind die Energiereserven des Körpers, auf die er bei erhöhtem Bedarf zurückgreift. Tritt dieser vermehrte Bedarf, also ein Defizit zwischen Verbrauch und zugeführter Energie, nicht ein, so bleibt es an Ort und Stelle – oder vermehrt sich. Braunes Fett hingegen befindet sich bei Erwachsenen üblicherweise in Regionen wie dem Brustkorb und dem tiefen Nacken. „Weißes Fett macht über 90 Prozent unseres Fettgewebes aus und dient in erster Linie der Energiespeicherung, produziert aber auch einen Reihe von Hormonen“, verrät Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Florian Kiefer, Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologe, im Interview. „Das braune Fett hingegen ist darauf spezialisiert, Energie in Form von Wärme zu ‚verbrennen‘.“ Die Natur stattet uns zu Lebensbeginn mit reichlich braunem Fett aus – ein absolut notwendiges Polster: „Babys verfügen über sehr viel braunes Fettgewebe. Sie können damit ihre Körpertemperatur aufrechterhalten“, weiß Prof. Kiefer. Braunes Fett verbrennt also Energie unter Freisetzung von Wärme. Dieser Prozess nimmt ab, je mehr sich das Verhältnis von braunem zu weißem Fett verschiebt: Mit zunehmendem Alter und besonders bei Übergewicht sinkt die Anzahl der braunen Fettzellen stetig ab. So besteht der überwiegende Anteil des Körperfetts im Erwachsenenalter aus weißem Fett, braunes bleibt nur noch zu einem kleinen Teil vorhanden. Die Erkenntnis, dass wir im Erwachsenenalter überhaupt noch über braunes Fett verfügen, ist eine noch sehr neue. Genau hier ortet die Forschung großes Potenzial.

Hoffnung für Adipositas-Therapie
„Durch die Entdeckung, dass braunes Fett auch noch in Erwachsenen vorkommt und aktivierbar ist, wurde es in den letzten Jahren zu einem vielversprechenden Kandidaten in der Forschung gegen Übergewicht“, so Dr. Kiefer. Das Ziel ist es, braunes Fett zu aktivieren und so den Verbrennungsmechanismus, der braunem Fett zueigen ist, für den Abbau von weißem Fett zu nutzen. Denn auch in übergewichtigen Menschen sei braunes Fettgewebe nachweisbar, jedoch nicht so häufig wie in schlanken. Durch die Aktivierung von braunem Fettgewebe ergeben sich neben der gesteigerten Verbrennung aber auch andere Vorteile: In einer Studie der Medizinischen Universität Wien, die Dr. Kiefer leitete, wurden Funktion und Energieverbrauch von braunem Fett vor und nach kurzfristiger Kälteexposition analysiert. Jene Personen, die nachweislich aktives braunes Fett besaßen, verbrannten nicht nur deutlich mehr Kalorien, sondern zeigten im Blutbild auch ein deutlich gesünderes Fettsäureprofil. „Personen mit aktivem braunem Fettgewebe wiesen höhere Konzentrationen an entzündungshemmenden Fettsäuren auf, während einige der schädlichen Fettsäuren, die zu Diabetes oder Herzerkrankungen beitragen, niedriger waren“, so Dr. Kiefer „Das zeigt uns, dass wir das menschliche braune Fett noch genauer untersuchen müssen, um zu sehen, ob uns die Aktivierung dieses Organs vor Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen kann.“

Aktivieren und Umwandeln

Im Zentrum der Forschung stehen einerseits die Aktivierung von vorhandenem braunem Fett und andererseits die Umwandlung von weißem Fettgewebe in braunes – man spricht von „Browning“. Gezielte medikamentöse Therapien sollen diese beiden Mechanismen fördern. Bis solche jedoch zur Verfügung stehen werden, wird es noch einige Zeit dauern. Erste Tierversuche mit Wirkstoffkombinationen zeigten aber bereits vielversprechende Erfolge im „Browning“. In Hinblick auf die Aktivierung von braunem Fett werden – neben der Forschung an Arzneiwirkstoffen – Ansätze wie der bereits erwähnte Kältereiz verfolgt: „Kälte ist der stärkste natürliche Reiz zur Aktivierung von braunem Fett“, so Prof. Kiefer. „Bereits moderate Kälte, die noch nicht zum Zittern führt, reicht aus. Diese genaue Temperaturregulierung ist wichtig, da sonst die Muskulatur die Wärmeproduktion übernimmt.“ In Studien wurden bisher üblicherweise Kühlwesten verwendet, durch die kaltes Wasser gespült wurde. „Grundsätzlich sollte es aber egal sein, wie genau die Kälte zugeführt wird, solange die Temperatur adäquat ist.“ Infolge des Kältereizes kommt es zur Ausschüttung des Stresshormons Noradrenalin, welches wiederum das braune Fettgewebe aktiviert. „Es wird aber auch nach Alternativen zur Kälte geforscht“, so Dr. Kiefer weiter. „Dabei wurden Koffein und Capsaicin, der Wirkstoff aus der Chilischote, als mögliche Kandidaten identifiziert. Allerdings müsste man hiervon vermutlich so große Mengen zu sich nehmen, dass es nicht unbedingt gesundheitsfördernd wäre. Daher setzen wir besonders auf die Entwicklung von Arzneimitteln, die gezielt die Aktivierung beziehungsweise Umwandlung in braunes Fett begünstigen sollen.“

Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Florian Kiefer im Interview:

Welche Faktoren entscheiden, ob wir mehr helles oder braunes Fett haben?
Dr. Florian Kiefer:
Grundsätzlich nimmt das braune Fett mit dem Alter ab, dennoch zeigen Studien, dass ein Großteil der schlanken Erwachsenen noch braunes Fett besitzt. In übergewichtigen Menschen findet man weniger aktivierbares braunes Fett, wobei noch unklar ist, ob es sich dabei um eine Ursache oder Folge des Übergewichts handelt. Auch die Genetik spielt eine wichtige Rolle, da mittlerweile eine Reihe von Genen identifiziert wurde, die einen EinfluAss auf die Entstehung und Ausreifung von braunen Fettzellen haben.


Sind die neuen Erkenntnisse auch eine Hoffnung für stark übergewichtige Menschen?
Dr. Kiefer:
Auch bei adipösen Menschen ist braunes Fett nachweisbar, aber eben nicht so häufig wie bei schlanken. In einer eigenen, gerade abgeschlossenen Studie konnten wir sehen, dass jene adipösen Patienten, die viel braunes Fett besitzen, metabolisch deutlich gesünder sind als jene ohne braunes Fett. Darüber hinaus haben andere Untersuchungen gezeigt, dass sich braunes Fett durch chronische Kälte­exposition über mehrere Wochen wieder vermehren kann und dadurch auch der Energieverbrauch steigt. Diese Beobachtungen machen natürlich Hoffnung für die Behandlung von Übergewicht: Etwa könnte man versuchen, die Umwandlung in braunes Fett ­pharmakologisch zu stimulieren.


Könnte es also in einigen Jahren wirksame „Browning“-Arzneimittel geben?
Dr. Kiefer:
Die Forschung auf diesem Gebiet läuft auf Hochtouren. Derzeit gibt es ein Medikament, das zur Behandlung von Harninkontinenz zugelassen ist, welches auch das braune Fett aktiviert. Aktuell laufen Studien, die untersuchen, ob eine längerfristige Anwendung dieses Präparats auch zu einer Gewichtsabnahme in Patienten mit Übergewicht oder Adipositas führt. In Tierversuchen wurden zwischenzeitlich zahlreiche weitere Angriffspunkte identifiziert, wie man braunes Fett fördern oder weißes in braunes Fett umwandeln kann. Allerdings ist es von diesen grundlagenwissenschaftlichen Entdeckungen noch ein langer Weg bis hin zur Markteinführung eines tatsächlichen Präparats.

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