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Covid-19: Immer besser behandelbar

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Eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 ist derzeit nicht heilbar, kann jedoch immer besser therapiert werden. Prim. Univ.-Prof. Dr. Richard Greil spricht mit g&f über verbesserte Behandlungsmöglichkeiten und Impfstoffentwicklung.

Die Genesung von US-Präsident Donald Trump rückte die Medikamente zur Behandlung von Covid-19 in den medialen Fokus. Auf der von seinen Ärzten veröffentlichten Liste der verabreichten Medikamente finden sich neben bereits bekannten Medikamenten, wie dem antiviralen Remdesivir und dem entzündungshemmenden Dexamethason, auch Wirkstoffe, die sich noch in Erprobung befinden sowie eine gängige Arznei gegen Sodbrennen sowie auch Vitamine und Spurenelemente.

gesund&fit bat Prim. Univ.-Prof. Dr. Richard Greil, Vorstand der III. Medizin des Salzburger Uniklinikums, um einen Einblick in den Behandlungsstandard bei Hospitalisierung. Der Infektiologe klärt eingangs über den Einsatz von Remdesivir, Dexamethason, Plasma sowie Blutverdünnern auf. Dies sind allesamt Medikamente, die zwar für andere Erkrankungen, wie u. a. Ebola, entwickelt wurden, jedoch Effekte im Einsatz gegen Covid-19 zeigen. Zudem beantwortet er Fragen zur Selbsthilfe und gibt einen Ausblick auf die erwartete Verfügbarkeit eines Impfstoffes.

Wie gut lässt sich Covid-19 mittlerweile behandeln?
Prim. Univ.-Prof. Dr. Richard Greil:
Die Zahl der Medikamente, die zur Verfügung stehen, ist überschaubar. Das als Erstes bekannt gewordene Remdesivir ist ein Medikament, das die Virusreplikation behindert. Auf diese Weise kommt es zu einer Verringerung der Viruslast und damit der toxischen Schäden auf die Zellen des Atemwegsystems. Laut Untersuchungen der ersten amerikanischen Studie kann man damit eine Verkürzung der Tage bis zur Erholung um etwa vier Tage erreichen. Die Genesungszeit verringert sich von 15 auf elf Tage. In dieser sowie in der bisher größten Studie weltweit, der WHO-Studie, kann kein Effekt im Hinblick auf die Sterblichkeit gezeigt werden. Auch ergibt sich kein Effekt auf eine Verringerung der Beatmungspflichtigkeit. Wenn eine Gabe außerhalb einer Studie überlegt wird, kann diese nur in der ersten frühen Phase beginnender Sauerstoffpflichtigkeit erwogen werden. Patienten mit hohem Sauerstoffbedarf oder Beatmungspflichtigkeit profitieren nicht. Jedenfalls gehen die dringend notwendigen Forschungsarbeiten zu Remdesivir alleine oder in Kombinationsbehandlungen weiter.  


Könnte Remdesivir auch als Covid-19-Prophylaxe zum Einsatz kommen?
Prim. Greil:
Dafür gibt es keine Evidenz. Im Präventionsbereich sind keine wirksamen Maßnahmen bekannt.


Im Medikamenten-Cocktail von US-Präsident Trump fand sich Dexamethason – ein Glucocorticoid, das entzündungshemmend und dämpfend auf das Immunsystem wirkt. Wie kann ein immun-reduzierendes Mittel zur Genesung beitragen?
Prim. Greil:
Dexamethason hat einen nachweislichen Effekt auf die Sterblichkeit von ca. 34 Prozent. Es wirkt v. a. dämpfend auf den sogenannten Zytokinsturm (Anm.: potenziell lebensgefährliche Entgleisung des Immunsystems), der durch das Virus ausgelöst werden kann. Wir setzen auch dieses Medikament in der Phase ein, in der eine Sauerstoffpflicht entsteht – sprich in einer frühen Phase. In dem Bereich der Behandlung des Zytokin­sturms werden derzeit auch eine Reihe anderer Medikamente getestet, die auf die Entzündungsreaktion wirken und zudem eine Stärkung und Aktivierung der spezifischen Abwehr bewirken.

Viel wird auch über Therapien mit Plasma von Genesenen berichtet. Wie vielversprechend ist die Therapie mit Virus-neutralisierenden Antikörpern?
Prim. Greil:
Es gibt größere nicht randomisierte Studien, die den Eindruck erwecken, dass Plasma wirksam sein könnte, weshalb auch eine Notfallzulassung in den USA besteht.. Wir verwenden Rekonvaleszentenplasma (Anm.: Cocktail aus gewonnen Antikörpern) nur bei jenen Patienten, die eine schwere Immunsuppression haben, weil wir bei diesen Patienten im Laufe der Therapie gesehen haben, dass sie monatelang das Virus nicht eliminieren können, da sie keine eigenen Antikörper bilden. Beim US-Präsidenten ist ein ganz ähnliches, jedoch spezifischeres Präparat eingesetzt worden. Es wurde kein Antikörper-Cocktail verwendet, sondern sogenannte monoklonale Antikörper. Kurz erklärt: Die verschiedenen Antikörper, die Menschen bilden, haben eine unterschiedlich starke inaktivierende Wirkung auf das Virus. Diese Antikörper können einzeln auf ihre Wirkung getestet werden und mittels Gentechnologie kann das am stärksten neutralisierende Antikörpermolekül hergestellt werden. Trump hat zwei solche Antikörper bekommen. Damit wurden bisher nur 240 Menschen behandelt. Es liegen noch keine Studien-Ergebnisse vor, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es wirkt, ist sehr groß.  

Um bei Trump zu bleiben: Auf seiner Liste standen auch alltägliche Präparate, wie ein Mittel gegen Sodbrennen sowie Vitamin D.
Prim. Greil:
Zum Einsatz kam ein altes Medikament, das die Salzsäureproduktion hemmt und daher bei Sodbrennen eingesetzt wird. Es entstand der Eindruck, dass es u. U. hilfreich sein könnte – dazu gibt es jedoch keine randomisierten Daten – ich würde es gegen Covid-19 nicht verschreiben. Zu Vitamin D ist zu sagen, dass es Untersuchungen gibt, die zeigen, dass ein Mangel mit einem schweren Verlauf in Verbindung stehen könnte. Das bedeutet aber in keiner Weise, dass Substitution einen Benefit hat.  


Studien zeigen, dass sich bei Covid-19 das Risiko für Blutgerinnsel erhöht. Zur Thrombose-Prophylaxe gibt es wirksame Medikamente. Wie kommen sie bei Covid-19 zum Einsatz?
Prim. Greil:
Bei Covid-Erkrankungen haben wir ein hohes Ausmaß an Thrombose-Ereignissen, v. a. an arteriellen Thrombosen (Anm.: Bildung eines Blutgerinnsel in einer Schlagader). Das ist v. a. in der Lunge der Fall. Es gibt auch eine erhöhte Schlaganfall-Neigung. Das ist der Grund, warum man bei jedem einzelnen hospitalisierten Patienten klären muss, ob eine Antikoagulation (Anm.: Blutverdünnung) gegeben werden muss. Die Daten sprechen dafür, dass – sofern keine Kontraindikation besteht – eine Gabe sinnvoll ist – auch wenn es bis dato wenige randomisierte Studien gibt.


Welche Möglichkeiten gibt es, milde Verläufe, die zu Hause auskuriert werden, zu behandeln?
Prim. Greil:
Es gilt, so lange zu Hause bleiben, bis man auskuriert ist und sich entsprechend des Absonderungsbescheides zu verhalten. Von dem abgesehen: In Wirklichkeit kann man sich nur schonen. Denn es gibt keine Therapie, von der man denken kann, dass sie bei einem milden Verlauf Wirksamkeit hat. Die Erkrankung hält – auch bei milden Verläufen – teilweise länger an, als es bei einer milden Influenza der Fall ist. Bei der Wiederaufnahme der Tätigkeiten sollte man maximale körperliche Betätigungen vermeiden. Weil – wie bei anderen Virusinfektionen – auch bei Covid-19 das Herz in Mitleidenschaft gezogen werden kann.

Den Verlauf einer Covid-Erkrankung kann man kaum prognostizieren. Erkrankte, denen es gut zu gehen scheint, weisen schlagartig eine Mangelversorgung mit Sauerstoff auf und müssen behandelt werden. Gibt es Warnzeichen, die früh darauf hindeuten, dass Gefahr in Verzug ist?
Prim. Greil:
Die „Happy Hypoxia“, wie sie genannt wird, ist ein wesentliches Phänomen, das man beachten muss. Bei diesen Patienten sieht man, dass sie eine geringe Sauerstoffkonzentration im Blut aushalten – ohne, dass der Eindruck einer schweren Lungenbeteiligung entsteht. Aber diese Patienten haben teils nur 70 Prozent Sauerstoffsättigung – ein Normalwert liegt bei 94 Prozent. Das Resultat ist, dass die Patienten innerhalb von Minuten intubationspflichtig werden können. Menschen, die generell eine geringe Aktivität haben, sind besonders betroffen. Generell gilt: ab dem Auftreten von Symptomen – v. a. bei Verlust des Geruchs- und Geschmacksinnes – ist maximale Aufmerksamkeit geboten. Bei Menschen mit Grunderkrankungen braucht es einen sofortigen Test. Bei jenen Patienten, die versterben, liegt der Zeitabstand zwischen dem Beginn der Symptome und dem Tod zwischen sieben und 14 Tagen. Das zeigt, dass nicht viel Zeit für eine Abklärung da ist.

Behandelt wird derzeit ausschließlich mit Medikamenten, die für andere Erkrankungen entwickelt wurden. Gibt es Aussicht auf maßgeschneiderte Medikamente und damit auf Heilung?
Prim. Greil:
Man versucht derzeit zu klären, welche der über 20.000 bereits zugelassenen Medikamente auch eine Wirkung gegen Covid haben. Das versucht man auf möglichst schnellem Weg mit Supercomputern zu klären, indem man die dreidimensionale Architektur der Medikamente begutachtet und klärt, ob sie mit den Proteasen des Virus interagieren. Proteasen, eiweißspaltende Enzyme, braucht das Virus, um sich in den Zellen vermehren zu können. Man kann simulieren, ob Medikamente, zufälligerweise diese Proteasen hemmen. Die Entwicklung eines neuen Medikaments dauert normalerweise sehr lange.

Fazit: Heilung ist nicht in Sicht, aber man kann die Erkrankung besser behandeln.
Prim. Greil:
Das ist richtig. Auch da die Beatmungstechniken besser geworden sind. Es ist auch klar geworden, dass die Medikamente, die den Zytokinsturm mildern, früher eingesetzt werden müssen. Das Medikamentenrepertoire ist deutlich größer geworden – am Anfang hatten wir gar nichts. Trotz allem ist Covid bei schweren Verläufen eine sehr schwere Erkrankung.


Sie sind an einer Impfstoffstudie beteiligt. Wann dürfen wir mit einem Impfstoff rechnen?
Prim. Greil:
Ich gehe davon aus, dass es erste, selektive Verfügbarkeiten Ende dieses Jahres geben wird – weltweit könnte eine Milliarde Dosen zur Verfügung stehen, wobei pro geimpfter Person zwei Dosen nötig sind. Eine flächendeckende Impfung erwarte ich nicht in den nächsten sechs Monaten.

❯❯ Covid-Medikamente im Überblick

✏ Remdesivir
Das Mittel wurde zur Behandlung der Viruserkrankung Ebola entwickelt, aber nie für diesen Einsatz zugelassen. Später gab es Hinweise darauf, dass es gegen Coronaviren wirken könnte. Remdesivir wird per Infusion verabreicht und hemmt ein Enzym der Viren, das für deren Vermehrung nötig ist.

✏ Dexamethason
Das Cortisonpräparat kann durch eine Dämpfung der körpereigenen Immunantwort vor  einer lebensgefährlichen Entgleisung des Immunsystems, dem Zytokinsturm, schützen.

✏ Plasma
Bei der Immunplasma-Therapie bekommen Patienten Plasma von Menschen, die nach einer natürlichen Infektion Antikörper gebildet hatten.

 

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