Wiener Forscher:

Neuer Therapieansatz für Leukämie-Patienten

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Zellstoffwechsel begünstigt aggressives Tumorwachstum

Versuche mit dem bei Leukämie als krebsfördernd bekannten Signalmolekül STAT5 zeigen, dass auch der Stoffwechsel und speziell der Zuckerhaushalt der Krebszellen eine wesentliche Rolle für aggressives Tumorwachstum spielt. Das haben Forscher der Vetmeduni Wien, MedUni Wien und des Ludwig Boltzmann Instituts für Krebsforschung festgestellt. Die Ergebnisse machen neue Therapien bei Leukämie möglich.

Gefährliche Stoffwechselumstellung

Jede gesunde Zelle unseres Körpers hat eine bestimmte Aufgabe, die durch ein genau reguliertes Netzwerk an Signalketten und Abläufen kontrolliert wird, erläuterte die Vetmeduni am Montag in einer Aussendung. Viele dieser sonst sehr organisierten Signalketten und Abläufe sind in Krebszellen zugunsten einer schnelleren Zellteilung verändert. Krebszellen wollen hingegen vor allem eines - sich möglichst häufig teilen. Die strikte Ordnung ist deshalb aufgehoben und zugunsten von Faktoren, die die Zellteilung vorantreiben, verschoben. Wichtige Signalmoleküle wie STAT5, das in Blutzellen eigentlich die Reifung und Teilung kontrolliert, werden zu einer Überfunktion angestachelt und in Tumorförderer umgewandelt.

Durch eine Stoffwechselumstellung produzieren Krebszellen vermehrt ein spezielles Zuckermolekül, das die Aktivierung des Eiweißes erhöht und damit unkontrollierte Zellteilung unterstützt. Eine genetische Veränderung von STAT5 kann die Interaktion allerdings unterbinden, und die Krebszelle quasi "nährstoffblind" und weniger teilungsfreudig machen. Dies könnte zukünftig einen neuen Therapieansatz für Leukämiepatienten bedeuten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Leukemia veröffentlicht.

Bei der Entwicklung von Blutzellen wird STAT5 durch einen speziellen chemischen Prozess, das Anhängen einer Phosphatgruppe an eine bestimmte Aminosäure, aktiviert und kann dadurch bestimmte Gene ein- oder abschalten. Die Aktivierung ist in gesunden Zellen nur kurzfristig. In STAT5-regulierten Tumorzellen entsteht dagegen ein kontinuierliches Signal durch eine langfristige Phosphorylierung. "Damit verschiebt sich das Muster an eingeschalteten Genen, die Zellen beginnen sich unkontrolliert zu teilen und es kommt unter anderem zum Blutkrebs, der Leukämie", erklärte Richard Moriggl von der Vetmeduni. Das Wissenschafterteam untersuchte deshalb, welche Faktoren zu der langfristigen oder häufigeren Phosphorylierung führen und normale Blutzellen in Krebszellen verwandeln.

Krebszellen sind "süchtig" nach Zucker

"Bei Versuchen, wie STAT5 aktiviert wird, zeigte sich unter anderem, dass der Zuckerhaushalt der Krebszellen einen wesentlichen Einfluss hat. Üblicherweise verbrennen Körperzellen den Zucker komplett durch Oxidation", erklärte Erstautorin Patricia Freund. In Krebszellen ist dieser Prozess jedoch zumeist unvollständig. Der Zucker wird für die Energiegewinnung nicht mehr vollständig oxidiert, sondern vermehrt für Wachstum und schnelle Zellteilung verwendet. Krebszellen sind "süchtig" nach Zucker, wie Glucose.

Bei guter Nährstoffversorgung wird ein spezielles Zuckermolekül (UDP-GlcNA) im Überfluss gebildet. Damit wird der Zelle signalisiert, dass sie genug Ressourcen für die Zellteilung hat. Ein spezielles Enzym kann dieses Zuckermolekül als Markierung an verschiedenen Eiweißstoffen anbringen und dadurch Stoffwechselprozesse steuern. STAT5 hat eine dieser Bindungsstellen. Die Bindung des Zuckermoleküls unterstützt auch die Aktivierung dieses Regulationsfaktors. Die Forscher konnten damit den Einfluss des Stoffwechsels auf die Entwicklung von Krebszellen nun eindeutig in einem Versuch zeigen.

"Wir konnten mit einer gentechnischen Variante von STAT5 den Einfluss des Stoffwechsels auf dieses Onkogen entschlüsseln. GlcNAc kann nicht an diese STAT5-Variante gebunden werden. Dadurch erfolgte auch keine Aktivierung des Signalmoleküls. Durch das modifizierte STAT5 waren Krebszellen blind für das Nährstoffangebot. Die Variante simulierte sozusagen einen leeren Tank", erklärte Freund.

Die Forschenden zeigten, dass die STAT5-Variante ohne GlcNAc Markierung nicht nachhaltig phosphoryliert wird. Damit fehlt die langfristige Aktivierung, die auch für eine Transformation von Zellen in Krebszellen notwendig ist.

"Wenn der Tank leer ist, kann die Zelle sich nicht teilen", erklärte Moriggl. Die Signale einer guten Versorgung von Nährstoffen, also einer hohen Konzentration von UDP-GlcNAc, sind eine Voraussetzung, dass onkogene Signale über STAT5 den Zellkern erreichen. "Mit unseren Versuchen konnten wir zeigen, dass man STAT5 gezielt abschalten kann, und damit einer Krebszelle selektiv vortäuscht, dass der Nährstofftank leer ist. Gemeinsam mit Partnern werde nun das therapeutische Potenzial dieser Strategie erforscht, erläuterte Moriggl die Möglichkeit zu einem neuen Therapieansatz für Leukämiepatienten.

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