Farbe, die unter die Haut geht

Wie gefährlich sind Tattoos?

Teilen

24 % hierzulande sind tätowiert. Nur wenige – rund 15 Prozent – fürchten eine Gesundheitsgefährdung. Experten verraten, welche Gefahren vom bunten Hautschmuck tatsächlich ausgehen.

Was in den 90ern das Stacheldrahtmotiv oder die Dornenranke am Oberarm war, wurde in den 2000ern vom nachträglich oftmals bitter bereuten „Arschgeweih“ abgelöst und ist heute die möglichst flächendeckende Tätowierung. Dabei ist eigentlich ganz egal, was man sich für die Ewigkeit unter die Haut stechen lässt – Hauptsache individuell! Vom Lebensmotto über das Lieblingstier bis hin zum fotorealistischen Konterfei des Lieblingsstars sind der Tätowierkunst heute kaum mehr Grenzen gesetzt. Das zeigt sich auch auf den Körpern der Österreicher. Denn wie eine Umfrage zeigt, ziert mindestens eine Tätowierung die Körper von 24 Prozent der Österreicher – Tendenz steigend! Besonders beliebt ist der bunte Körperschmuck bei Jüngeren – zwei Fünftel der unter 35-Jährigen dürfen demnach ein Tattoo, ein „Peckerl“, wie der Österreicher zu sagen pflegt, ihr Eigen nennen. Klare Sache: Tattoos sind Trend und einstige Vorurteile Geschichte. So sind Tätowierungen längst nicht mehr nur „Strichlisten“ etwaiger Gefängnisaufenthalte und Indikator für die soziale Herkunft. Vom Bürokaufmann über den Juristen bis hin zum Universitätsprofessor – jeder trägt sie. Oft, ohne sich über die gesundheitlichen Risiken im Klaren zu sein. Wir haben bei Experten nachgefragt, wie gefährlich Tattoos wirklich sind.

Gesundheitliche Folgen
Fragt man die österreichische Bevölkerung, fürchten lediglich 15 Prozent eine gesundheitliche Gefährdung. „Beim Tätowieren handelt es sich um eine invasive Methode, bei der Blut fließt. Werden keine sterilen Nadeln verwendet, liegt die Wahrscheinlichkeit schon im Promillebereich, dass das Hepatitis-C-Virus, das HI-Virus oder eine andere mittels Blutkontakt übertragbare Krankheit über eine infizierte Nadel weitergegeben wird“, kennt Assoc. Prof. Priv. Doz. Dr. Arnulf Ferlitsch, FA für Innere Medizin, die Hauptgefahr des Tätowierens. „Demnach ist steriles Arbeiten das Um und Auf. Das Wichtigste beim Pigmentieren ist etwa, dass Nadeln, Aufsätze und Farben steril sind und nur einmal verwendet werden. Es gibt Studios, die Farben aufbewahren, um sie bei der nächsten Sitzung für denselben Kunden wieder zu verwenden. Davon rate ich aber, um ein etwaiges Infektionsrisiko möglichst gering zu halten, dringend ab, da es immer zu einer Verwechslung kommen kann“, nennt Dkfm. Marc-André Stingel, Pigmentierer und Inhaber des Piercingstudio Wien, die Wichtigkeit der Einhaltung bestimmter Hygienevorschriften. 2010 war er es, der gemeinsam mit der Hepatitis Hilfe Österreich und der Wirtschaftskammer alte Auflagen überholte und das Gütesiegel für Fachbetriebe aus dem Bereich Pigmentieren, Piercen und Fußpflege einführte und damit einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsprävention leistete. Die Gefahr, die von den Farben selbst ausgeht, kennt man ob des Fehlens valider Langzeitdaten nicht. Da diese in Österreich strengen Regelungen unterliegen, um überhaupt zugelassen zu werden, ist das von den Farben ausgehende Gesundheitsrisiko als gering einzustufen.

Worauf sie beim Tätowieren immer achten sollten

✏ Das Gütesiegel
Seit 2010 zeichnet die Hepatitis Hilfe Österreich (HHÖ) Fachbetriebe aus den Bereichen Pigmentieren (Tätowieren und Permanent-Make-up), Piercen und Fußpflege mit einem Gütesiegel aus. Die Einhaltung dieser Sollkriterien kann hinsichtlich Hygiene und Kundenservice einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsprävention leisten. Das Gütesiegel macht Qualitätsstandards für Kunden sowie Gewerbebetreibende erkennbar. Weitere Infos unter www.gesundeleber.at

Das Gütesiegel garantiert also die Einhaltung von Hygienevorschriften und zeichnet korrekt arbeitende Betriebe aus, die außerdem sowohl der Aufklärungs- als auch der Dokumentationspflicht nachkommen.

✏ Tätowierer des Vertrauens
Generell gilt: Der Konsument sollte achtsam sein und sich nur an den Tätowierer, Pigmentierer oder Piercer „seines Vertrauens“ wenden. Einerseits gilt es, sich ein Studio zuerst immer ganz genau anzuschauen und nachzufragen. Hierbei ist das Gütesiegel sicherlich hilfreich. Andererseits ist es wichtig, dass man sich der potenziellen Gefahren bewusst ist – insbesondere, wenn man sich in
‚irgendeinem Hinterhof’, im Urlaub, beispielsweise während der Maturareise am Strand, oder auch auf Tattooconventions tätowieren oder piercen lässt.

✏ Weiße Handschuhe
Vorsicht: Nur weiße Handschuhe sind steril! „Ich selbst liebe schwarze Handschuhe, verwende diese allerdings nur zum Vorbereiten, Anzeichnen und nach dem Piercen oder Pigmentieren. Im Schnitt wechsle ich meine Handschuhe drei bis vier Mal pro Kunden – hier darf nicht gespart werden“, so Experte Stingel.

✏ unterschiedliche Stile
Die Handschrift eines jeden Tätowierers unterscheidet sich von der eines anderen. Machen Sie sich vorab bewusst, in welche Stilrichtung die Tätowierung gehen soll und suchen Sie sich dann den Besten des „Genres“. Keine Sorge, Wartezeiten bis zu einem Jahr sind normal und zeugen meist vom Können des Künstlers.


✏ Der Termin
Ist es dann endlich soweit, haben Sie den Tätowierer Ihres Vertrauens gefunden und einen Termin bekommen, sollten Sie keinesfalls mit nüchternem Magen erscheinen, nicht schwanger sein und in gesundheitlich guter Verfassung. Alkohol am Vorabend nur in Maßen. Keine Schmerzmittel – viele davon hemmen die Blutgerinnung.


✏ vorab informieren
Nicht jeder Betrieb, der auf höchsten Hygienestandards arbeitet, hat zwingend ein Gütesiegel. Deshalb sollte man sich auf der Tätowierer-Suche jedenfalls ausreichend informieren. Sei es über Bekannte, Google oder sogar Facebook. Bewertungen und Kundenrezessionen lassen meist gut auf die Arbeitsweise des Tätowierers rückschließen.


Einmal tätowiert, immer tätowiert?

Fest steht: Die Farbpigmente gehen unter die Haut und da bleiben sie für gewöhnlich ein Leben lang. Es sei denn, was einst dem Drang nach Individualisierung und Selbstverwirklichung entsprang, stößt Jahre später auf Missfallen. Und das ist gar nicht so selten. Denn jeder Zwanzigste lässt sein Tattoo wieder entfernen. „Mittels Laser können Tätowierungen in mehreren Sitzungen aufwendig entfernt werden. Das Entfernen wird von den Patienten meist schmerzhafter als das Stechen selbst empfunden“, erklärt Dr. Sabine Schwarz, Dermatologin, die kostenintensive Möglichkeit der Tattooentfernung. Wer sich das und somit auch jede Menge Geld ersparen möchte, überlegt im Vorfeld lieber zweimal, ob er sich ein Älterwerden mit permanentem Hautschmuck überhaupt vorstellen kann, und wählt sein Motiv mit Bedacht.

Nachgefragt bei Dr. Sabine Schwarz (Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten)

Jetzt wird’s bunt!
Während früher, bis vor zehn Jahren, die Farbe in tiefere Hautschichten gestochen wurde, wird heute nur mehr oberflächlich pigmentiert. Die neuen Pigmente verblassen zwar schneller, sind aber deutlich „gesünder“ – und die Wahrscheinlichkeit einer allergischen Reaktion wesentlich geringer.

Darauf sollte man unbedingt achten
Oberste Priorität beim Tätowieren hat das Einhalten bestimmter Hygienestandards, um Infektionen zu vermeiden. Aus dermatologischer Sicht empfehle ich, vorab eine Teststelle zu stechen, um zu sehen, ob und wie die Farbe angenommen wird – das unterscheidet sich je nach individueller Hautpigmentierung. Beim Stechen selbst sind Muttermale, Ausschläge, Narben und krankhafte Hautveränderung auszusparen. Sprechen Sie gegebenenfalls vorab mit Ihrem Hautarzt.

Nachsorge
Betrachten Sie Ihr Tattoo als Wunde. Verwenden Sie antibakterielle Wund- und Heilsalbe, kratzen Sie keine Krusten weg, achten Sie auf Sonnenexposition und meiden Sie lange Wasseraufenthalte.

Tattoo-Entfernung
Oberflächlich gestochene Tattoos lassen sich besser entfernen als tief gestochene. Zur Entfernung werden verschiedenste Lasermethoden (Pico- und Nanosekunden-Lasersysteme) eingesetzt. Die Wellenlänge ist so gewählt, dass der Laser in die Tiefen der Haut eindringen kann – ohne diese zu verletzen – und dort die Farbpigmente zerstört. Abfallprodukte werden vom Lymphsystem abtransportiert, das Tattoo verschwindet. Je nach Tiefe sind zwischen zehn und zwölf Sitzungen à 50 bis 250 Euro notwendig. Dank modernster Technologie werden auch bei bislang schwer entfernbaren Farben (grün, gelb) gute Ergebnisse erzielt.  (Mehr Infos in der neuen Ausgabe von Gesund & Fit, an Montag in Ihrer Trafik).


Welche Gefahren ausgehen

Infektionskrankheiten
Blutkontakt. Werden keine sterilen Nadeln verwendet, liegt die Wahrscheinlichkeit schon im Promillebereich, dass Infektionskrankheiten wie Hepatitis, HIV und andere über das Blut übertragene Erkrankungen über eine infizierte Nadel weitergegeben werden. Im Hinblick auf die Nadeln sei generell gesagt: Bei der Verwendung von Hohlraumnadeln ist das Risiko, sich mit HCV oder einer anderen über das Blut übertragbaren Infektionskrankheit zu infizieren, höher, je größer der Hohlraum ist.“

Tattoos für HCV-Erkrankte
Heilung. Es gibt für Hepatitis-C-Betroffene mittlerweile eigentlich keinen Grund mehr, sich nicht zuerst gegen die Erkrankung behandeln und sich erst im Anschluss tätowieren, pigmentieren oder piercen zu lassen. Dank neuer Kombinationstherapien, die mittlerweile für so gut wie alle Betroffenen verfügbar sind, liegen die Heilungsraten je nach Art und Fortschritt der Erkrankung meist über 95 Prozent. Einzelne Studiensubgruppen berichten sogar von 100 Prozent Heilung. Die Behandlung dauert acht bis zwölf Wochen und hat so gut wie keine Nebenwirkungen. Auch Tätowierern, Pigmentierern und Piercern wird empfohlen, sich testen zu lassen. Immerhin zählt man aufgrund des Berufes, bei dem man täglich mit Blut in Berührung kommt, zur Risikogruppe.

Allergische Reaktion
Selten. „Früher war in der Tattoofarbe Eisenoxid, ein Schwermetall, enthalten, das gesundheitsschädlich ist. Heute sind derartige Farben in Österreich verboten. Generell sind heute verwendete Farben strengen Testungen unterworfen, ehe sie am heimischen Markt zugelassen werden. „Dennoch empfehle ich, vor dem Stechen eine Teststelle zu wählen, um sicherzugehen, dass keine Reaktion auftritt. Gerade bei Neurodermitikern erachte ich eine Vorabtestung als unerlässlich, da deren Haut generell empfindlicher auf Reize reagiert. Betrifft die Neurodermitis den ganzen Körper, rate ich von einer Tätowierung ab“, so Dermatologin Dr. Schwarz.

Wundheilungsstörung
Vorsicht. „Kommt es zu einer bakteriellen Entzündung oder kratzt man die Kruste im Zuge der Abheilung ab, kann es zu einer Farbverschiebung – hellen Flecken – kommen. Auch ein Keloid – überschüssige Narbenbildung – kann bei jedem Menschen auftreten“, weiß die Hautexpertin.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.