„Burn-Out-Kids"

Das gestresste Kind

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Jedes 6. Kind leidet unter Stress. Schuld: Druck, Überforderung und Überförderung. Expertinnen verraten die besten Strategien  für einen entspannten Schulstart. 

Dem streng durchgeplanten Schultag folgt zumeist eine penibel strukturierte Freizeit. Soziale Verpflichtungen von Eltern und Kind, Sportkurse, Musikunterricht und idealerweise noch ein Fremdsprachenkurs. Englisch am besten schon mit drei. Gefolgt von Chinesisch und Russisch – sehr en vogue! Zwischendurch hängen Groß und Klein noch gerne am Smartphone bzw. Tablet oder vorm TV. Unsere Leistungsgesellschaft verleitet zur rundum Beschäftigung.
 
Stress ist ansteckend
Darauf  weisen die beiden Expertinnen, die Kinderpsychologinnen Maria Beham und Mag. Jasmin Mandler, hin. Beham spricht von einem systemischen Problem.    „Häufig leben leistungsorientierte Eltern den gestressten Lifestyle vor (jedes 6. Kind leidet unter Stress). Das geht auf Kinder über. Gefährdet sind besonders Kids, die einen hohen Anspruch an sich selbst stellen. „Das“, so die Expertinnen, „beginnt ganz früh in der Familie und im Kindergarten – mit Förderprogrammen – da beginnt der Prozess, bei dem Erwartungen an Kinder gestellt werden.“
 
Warnsignale
„Stress äußert sich bei Kindern“, so Mandler, „häufig durch psychosomatische Beschwerden, wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle oder Muskelschmerzen – sprich, durch körperliche Signale. Auch zu beobachten ist, dass Kinder beginnen, eine Abwehrhaltung einzunehmen, z. B. den Schulbesuch verweigern. Ein weiteres Warnsignal ist der Rückzug in allen Lebenslagen – in der Familie, bei Freunden, in der Schule. Kinder können reizbarer oder auch scheinbar unbegründet aggressiv werden.“ Fazit: Wenn es zu unerklärlichen Veränderungen kommt, die nicht dem Naturell des Kindes entsprechen, dann sollte dies als Warnsignal verstanden werden.

Wie viel ist denn zumutbar? 
Verallgemeinern kann man natürlich nicht – Kinder sind individuell verschieden. Die Expertinnen raten aber zu möglichst viel unstrukturierter Freizeit. „Der Schulalltag ist bereits verplant genug – mit vielen Förderprogrammen. Wenn ein Kind unbedingt Tennis spielen möchte, dann ist das toll, dann sollte man es fördern. Man sollte reagieren, wenn sich das Kind zurückzieht und sagt: ‚Den Chor mag ich nicht.‘ Da geht es um die würdevolle Wahrnehmung der Bedürfnisse des Kindes.“

Anti-Stress-Strategie Nr. 1
„Die wichtigste Strategie bei der Entstressung“, so Beham, „ist, dass Kinder wahrgenommen werden in ihrer Person und nicht durch erbrachte Leistung. Kinder brauchen Anerkennung, aber nicht nur, wenn sie etwas gut machen, sondern einfach, weil sie es machen. Wenn Kinder nur gelobt werden, wenn sie Leistung bringen, dann fördert das den Leistungsanspruch. Im Erwachsenenalter sind diese oft getrieben von hohen Ansprüchen an sich selbst – sehr Stress gefährdet.
 
Entspannter Schulstart
Neues Umfeld, fremde Menschen – das bedeutet Stress. Hier gilt, so die Entwicklungshelferinnen: „Das Kind richtig vorbereiten, vorab die Schule und die Lehrerin besuchen, Gespräche über die neue Situation führen und dabei Vertrauen ausstrahlen. Das gelingt, wenn man bereits ein gutes Verhältnis zu den Lehrern hat.“ Denn nicht nur Stress ist ansteckend, auch Vertrauen und Gelassenheit. 
 
Anti-Stress-Tipps
Schul-Vorbereitung:
„Es ist wichtig“, so die Expertinnen, „das Kind auf den Start vorzubereiten, mit ihm zu sprechen, wie es sein wird. Orientierungstage, an denen man vorab die Schule besucht, sind ideal.“

Vertrauen ausstrahlen
„Ist das Kind in den ersten Tagen/Wochen unzufrieden, liegt es an den Eltern, Vertrauen  zu vermitteln, zu sagen, warum es gut ist, warum der Lehrer toll ist. Dafür ist es wichtig, dass Eltern auch ein gutes Verhältnis zum Lehrer haben.“
 
Unstrukturierte Freizeit:
„Langeweile ist wichtig, so entdecken Kinder ihre Bedürfnisse. Kinder haben zumeist genug Spielsachen, mit denen sie sich beschäftigen können.“
 
Nehmen Sie sich Zeit:
„Unternehmen Sie Spaziergänge, Ausflüge mit dem Kind und widmen Sie ihm die gesamte Aufmerksamkeit. Smartphone ausschalten!“ 
 
Keine Medien:
„Kinder bis zu zwei Jahren brauchen kein elektronisches Medium. Ab zwei Jahren maximal eine halbe Stunde fernsehen und dabei sein. Kinderfilme sind oft schwer zu verstehen.“
 
Förderung daheim:
„Bewegung und Musik sind essenziell für die Entwicklung. Bereits zweijährige Kinder sind motorisch sehr aktiv. Kinder haben aber oft (noch) nicht das Interesse an nur einer Sportart. Bewegung daheim sowie am Spielplatz und gemeinsames Singen – ohne Regeln, ohne Druck – reicht schon aus. Es müssen nicht immer Kurse sein.“
 
Sich selbst entstressen:
„Überforderte Eltern produzieren überforderte Kinder – diese werden so anspruchsvoll, dass sie wiederum die Eltern stressen. Ein Teufelskreis, den Eltern unterbrechen  können.“ 
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