Volksleiden Nr.1

Beste Hilfe für Ihren Nacken

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Wir klären über die Ursachen auf und verraten, was im Akutfall hilft. Plus: Ihr Übungsplan für jeden Tag!

Die Nackenregion ist die Schwachstelle unserer Wirbelsäule. Sie muss nämlich unserem Kopf ein Maximum an Beweglichkeit ermöglichen und ihn dabei gleichzeitig so gut wie möglich stabilisieren. Dieser Spagat bedingt einen hochkomplexen Aufbau von sieben besonderen Wirbeln, einem vielschichtigen Muskelverband (aus autochthoner, tiefer und oberflächlicher Muskulatur) und dem Bindegewebe (Sehnen, kollagene Strukturen, Bänder). Und das auf engstem Raum – ein sehr sensibles System.  

Nackenprobleme: Ab wann zum Arzt? 1/4
Wenn die Finger kribbeln:
Haben Sie Nackenschmerzen, die ausstrahlen und sich als Kribbeln in Armen und Fingern äußern – und zwar über einen Zeitraum von länger als einem Tag – dann könnte es sein, dass der Nervenausgang im Nacken so weit eingeengt ist, dass es zu nervlichen Schäden gekommen ist. Sofort zum Spezialisten!

Hauptursache Verspannungen

Vor allem und in erster Linie neigen die Muskelstränge und Bänder zur Störanfälligkeit. In 80 bis 90 Prozent aller Fälle sind Verspannungen und Verhärtungen – sogenannte Triggerpunkte – Auslöser für Nackenbeschwerden. Muskelstränge stehen – meist durch zu langes und falsches Sitzen am Arbeitsplatz – unter ständiger Anspannung. Hinzu kommt, dass die etwa 50 autochthonen (ganz kleinen), tiefen Muskeln zusätzlich unter Beeinflussung des autonomen Nervensystems liegen und sich somit auch psychische Anspannung negativ auf den Spannungszustand der Nacken-Muskulatur  auswirkt. Aus diesen Gründen sind vor allem Menschen, die lange und sitzende Bürotätigkeiten ausüben und hohem Stress ausgesetzt sind – statistisch gesehen vor allem Menschen zwischen 25 und 35 Jahren sowie 50 und 60 Jahren – am häufigsten betroffen. Genetische Prädispositionen, wie ein langer Hals oder eine Hypermobilität (liegt bei den meisten Menschen vor), sowie ein schlechter Trainingszustand können die Anfälligkeit noch verstärken.

Auslöser von Nackenschmerzen 1/5
Physische Belastung:
Langes Sitzen / Fehlhaltungen, wenig Bewegung


Die gute Nachricht: Diese als unspezifisch bezeichneten Schmerzen sind funktionell – durch den Lebensstil (Bewegungsmangel, Stress) ausgelöst. Die Beschwerden sind meist harmlos (es bedarf keiner spezifischen Therapie) und können rasch selbst gelindert werden. Wichtig ist jedoch, dass sie sofort in ihrer Entstehung bekämpft werden. Erstens: Damit sich der Schmerz nicht fest setzt (chronifiziert). Zweitens: Damit sich keine Schonhaltungen etablieren, die über einen längeren Zeitraum zu morphologischen Veränderungen (Gelenkabnutzungen, Bandscheibenvorfälle) und damit zu gefürchteten spezifischen Rückenschmerzen führen könnten.

Prim. Dr. Sascha Sajer, Wiener Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation zeigt in gesund&fit, welche Sofortmaßnahmen Sie bei Nackenschmerzen treffen können und mit welchen Übungen Sie dem Volksleiden Nummer 1 gezielt vorbeugen und nachhaltig schmerzfrei bleiben.

Die Top Ten Tipps & Übungen für den Nacken

Wirkung: „Eine Kompresse kann man sowohl wärmend als auch kühlend einsetzen“, so Dr. Sajer. Die kalte Kompresse wirkt eher wie eine Triggerpunktmassage. Ich setze also mit der Kompresse einen bewussten Reiz, um Linderung zu erzielen. Eine warme Kompresse wirkt entspannend auf die Muskulatur. Warme Kompresse: Ein Handtuch einrollen, in einen auf 60 Grad vorgeheizten Ofen legen und warm werden lassen. Kalte Kompresse: Ein Handtuch einrollen und ins Tiefkühlfach legen. Behandlungsdauer: Kompresse auflegen, bis die Wärme respektive Kälte nachlässt.

Wirkung: Meditation wirkt gleich auf mehreren Ebenen. Durch die Achtsamkeitsübung, die direkt auf das vegetative Nervensystem wirkt, wird Stress reduziert, was sich positiv auf das Schmerzempfinden auswirkt (Cortex wird abgehärtet) und gleichzeitig den Muskeltonus senkt – Verspannungen werden gelöst. Zudem nehmen wir mit der Meditationshaltung eine ideal neutrale Position ein – der Trapezmuskel wird gedehnt. Tipp für eine Kurzmeditation: Sagen Sie sich innerlich bei jedem Einatmen „Ein“ und bei jedem Ausatmen „Aus“. Einige Minuten langsam atmen.

Wirkung: Triggerpunkte sind lokal begrenzte Muskelverhärtungen, die lokal druckempfindlich sind und von denen übertragene Schmerzen ausgehen können. Rund 90 % der Schmerzsyndrome sind auf derartige Verhärtungen zurückzuführen. Eine Massage der Punkte lockert und verschafft Linderung. So geht’s: Ertasten Sie schmerzempfindliche Verhärtungen. An diesen Punkten leichte, kreisende Druckmassage ausüben – mit 20–30 % Ihrer Kraft. Druck so lange auf den Punkten belassen, bis der Schmerz nachlässt.

So geht’s: Legen Sie einen Arm an den Türrahmen. Ellbogen ist 90 Grad gebeugt und der Oberarm ist parallel zum Boden. Füße sind schulterbreit auseinander. Drehen Sie den Oberkörper so weit vom Türrahmen weg, dass Sie ein angenehmes Ziehen in der Brust spüren. Übungsdauer: 20–30 Sekunden halten – so, dass es guttut, dann Arm wechseln. Variante: Arm deutlich höher zur Decke gehoben am Rahmen platzieren.

So geht’s: Setzen Sie sich auf einen Stuhl dicht an die Lehne heran (oder wie hier an die Bettkante, falls die Höhe passt). Neigen Sie sich über die Stuhllehne nach hinten und atmen Sie ein. Wiederholen Sie die Übung 3–5-mal.

Durchführung: Kopf befindet sich in einer neutralen Position. Senken Sie Ihr Kinn nun so tief wie möglich Richtung Brust ab. Dann führen Sie eine leicht verneinende Bewegung durch – und zwar im höchst möglichen Radius. Etwa 20 bis 30 Grad Seitdrehung werden in etwa möglich sein. Wichtig: Das Kinn bleibt während der gesamten Bewegung so nah wie möglich bei der Brust. Übungsdauer: 20 bis 30 Sekunden. Gehen Sie gleich zur zweiten Grundmobilisationsübung weiter.

Durchführung: Kopf in eine neutrale Position bringen und nun eine bejahende Bewegung durchführen. Führen Sie eine submaximale Drehung des Halses zur rechten Seite durch. In dieser Position einige Male (Übungsdauer ca. 20 Sekunden) nicken – sprich den Kopf kontrolliert und langsam so weit wie möglich auf und ab bewegen. Danach den Kopf wieder in eine neutrale Position bringen und dieselbe Übung auf der anderen Seite durchführen.

So geht’s: Setzen Sie sich aufrecht an die Wand. Machen Sie ein leichtes Doppelkinn. Schieben Sie nun den Scheitelpunkt nach hinten oben, bis eine leichte Dehnung spürbar ist. Übungsdauer: Verharren Sie 30 Sekunden oder 5–6 Atemzüge in dieser Position.

So geht’s: Stehen Sie etwa einen halben Meter von der Wand weg. Stützen Sie sich mit beiden Händen an der Wand ab. Die Hände sind auf Schulterhöhe und der Körper ist vom Kopf bis zu den Zehen gerade. Ziehen Sie den Bauchnabel zur Wirbelsäule. Wiederholungen: Machen Sie 15–20 Liegestütze. Danach eine kurze Pause. Wiederholen Sie die Übung noch zweimal. Sie können diese Übung auch mit nur einer Hand durchführen.

So geht’s: Ausgangsposition ist der aufrechte Stand. Die Fußspitzen zeigen leicht nach außen, Füße sind etwa hüftbreit aufgestellt und die Knie leicht gebeugt. Neigen Sie den Kopf zur Seite, der Arm der Gegenseite wird Richtung Boden gestreckt. Halten Sie die Dehnung etwa 20 Sekunden, dann wechseln Sie die Seite. Wiederholen Sie die Übung 3–5-mal pro Seite.

Was wirklich hilft

So komplex wie der Aufbau und die Aufgaben des Nackens sind auch die Ursachen der Verspannungen. Neben körperlichen Belastungen (sitzende Tätigkeit, Fehlhaltung) spielt nämlich die Psyche eine ganz große Rolle. „Scheint draußen die Sonne, haben wir etwas Positives erlebt oder geplant, können wir sehr viel mehr physische Belastungen z. B. in Form von Sitzarbeit verkraften. Stehen wir jedoch unter Stress, sind wir psychisch belastet, dann ist der Puffer zwischen Schmerzempfinden und Nichtschmerzempfinden viel schneller aufgebraucht – die Schmerzwahrnehmung steigt und damit wird subjektiv empfundene Verspannung stärker.“  
Daher gilt vor allem die Meditation als hilfreiche Sofortmaßnahme. Sie wirkt direkt auf das vegetative Nervensystem – sie beruhigt, senkt den Muskeltonus und die Schmerzwahrnehmung. Körperliche Linderungen versprechen Triggerpunktmassagen und Kompressen. Zudem ist es wichtig, eine ergonomische Arbeitssituation zu schaffen und regelmäßige Bewegungseinheiten in den Alltag einzubauen – mindestens alle 50 Minuten vom Schreibtisch aufzustehen.
Dies ist nicht nur eine therapeutische Maßnahme, sondern auch eine ­präventive. Wie das Übungsprogramm auf den kommenden Seiten. Es kräftig, entspannt und mobilisiert. Und rüstet so unseren zarten Nacken für seine täglichen schweren Aufgaben.

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